Für die Ästheten unter uns ist die Welt oft eine Zumutung. Dabei geht es nicht darum, dass man als Mensch mit Neigung zum Schönen überall das Perfekte erwartet; Ästhetik kann auch aus dem Unvollkommenen entstehen. Aber es gibt einen Unterschied zwischen dem Unperfekten und der puren Gedankenlosigkeit.
Ein Beispiel: der Kebab ‑Laden um die Ecke. Meist hängen da über dem Tresen Informationstafeln, die ästhetisch fragwürdig auf das Angebot des Lokals hinweisen. Die Fotos darauf sehen aus, als ob sie in den 1970er-Jahren gemacht worden wären. Die Namen der Menüs werden KOMPLETT IN GROSSBUCHSTABEN GESETZT. Und bei der Auflistung der Preise schwimmt das Ganze derart, dass man sich fragt, ob die Tabulatortaste kaputt war.
Wenn man das so betrachtet, kommt man zum Schluss, dass hier kein Grafiker am Werk gewesen sein kann. Schlimmer vermutlich: Man hat das in Microsoft Word «gestaltet». Nun kann man natürlich sagen: Ist doch egal – solange der Kebab 1A ist. Viel öfter stellt man aber fest, dass der Kebab , der einem gereicht wird, den 1970er-Jahre-Bildern tatsächlich sehr ähnlich sieht. Das Versprechen auf der Infotafel wird voll und ganz eingelöst. Was ja eigentlich fast schon wieder gutes Design ist. Und beweist, dass ich die Ästhetik von Kebab ‑Läden bislang total unterschätzt habe.
Dieser Text erschien am 2. April 2017 als Kolumne in der Zentralschweiz am Sonntag und in der Ostschweiz am Sonntag.