Die Meldung ist vor ein paar Wochen raus: Die Basler Zeitung (BaZ) lagert ihre Layout-Abteilung aus – ins 200 Kilometer entfernte Chur, zu der Südostschweiz-Mediengruppe. Derweil man sich hinter den Kulissen noch streitet, ob es sich hier um eine Massenentlassung handelt oder nicht, darf man gleichzeitig feststellen, dass der Schritt nur konsequent ist: Gestaltungsfragen spielen nämlich bei der BaZ seit ein paar Jahren sowieso nur noch eine untergeordnete Rolle.
Doch drehen wir zuerst das Rad der Zeit etwas zurück. Es gab gestalterisch glorreiche Zeiten bei der Basler Zeitung: Im Jahr 2008 wurde sie dafür sogar europäisch preisgekrönt und erhielt den Titel «Best Designed Regional Newspaper of Europe». Die Jury kam damals zu folgendem Urteil:
Der Einsatz der Schrift «Helvetica» und die Hausfarbe Rot geben der Basler Zeitung ihr charakteristisches Schweizer Aussehen. Jury-Mitglieder aus Skandinavien, den Niederlanden und Spanien schätzen die Zeitung für ihre klare und prägnante Präsentation. Die Basler Zeitung hat in den letzten Jahren einige Veränderungen durchgemacht, blieb dabei aber immer ihrem sauberen und klaren Layout verpflichtet. Die Zeitung spielt mit vier verschiedenen Farben, die aber nur auf den Bundauftakten verwendet werden. Das klare Layout positioniert die Zeitung als eine ruhige Insel in einem unruhigen Zeitungsmarkt.
Die Basler Zeitung war also einmal so etwas wie der gestalterische Leuchtturm der Regionalzeitungen in der Schweiz. Zu einer Zeit, als bei vielen Regionalzeitungen Gestaltungsfragen nur eine untergeordnete Rolle spielten, setzte die BaZ die Latte gekonnt hoch und zeigte auf, dass mit gutem Willen und Sachverstand auch eine Regionalzeitung optisch anständig daher kommen kann. Typografisch gelang der Zeitung ein kleiner Coup: Der Einsatz von Helvetica als Titelschrift sorgte für einen schnörkellosen optischen Auftritt des Titels. Die Helvetica ist eine Schrift, die es zu Weltruhm gebracht hatte; entwickelt wurde sie von Max Miedinger und Eduard Hoffmann in Münchenstein bei Basel. Hier wurde also einheimisches Schriftschaffen in besonderem Masse gewürdigt.
Von diesem Glanz konnte die Basler Zeitung gerade einmal zwei Jahre zehren. 2010 wurde sie verkauft – und erlebte seither inhaltlich einen deutlichen Rechtsrutsch. Mit Markus Somm hielt ein Chefredaktor Einzug, der schon bald nach dem Antritt eine Layout-Reonvierung durchsetzte und diese so verkündete:
Pünktlich zum 1. Dezember hin wurde das Layout der Basler Zeitung aufgefrischt. Die bisherige Buntheit wurde durch ein klassischeres Bild ersetzt.
Wer am 1. Dezember die Basler Zeitung anschaute, dem schwante nichts gutes: Da wurde aufgeräumt. Elemente, welche der Zeitung ihr preisgekröntes Aussehen verliehen, wurden radikal entfernt. Während man dem Publikum erklärte, dass man mit dem Schritt mehr Tiefgang erreichen und lange und sehr lange Texte ins Blatt rücken wolle, war für Gestalter klar: Ab jetzt regiert nur noch das Wort, die Optik ist zweitrangig geworden. Wie das in der Zeitung aussieht, davon konnte man sich schon bald überzeugen. Es gab Zeitungsseiten, die voll waren mit Text – und das einzige Bild auf der Seite war ein halbseitiges Porträt-Bild des Chefredaktors. Mit modernen Ansätzen im Zeitungsdesign hatte das nicht mehr viel zu tun.
Wenn man in dieser Zeit Mitarbeiter der Gestaltungsabteilung traf, so war dies sehr bemerkenswert. Es herrschte nackte Panik! Man gab den Gestaltern zu verstehen, dass ihre Rolle künftig nur noch Handlangerstatus hat. Die Expertise des Fachpersonals war intern nicht mehr gefragt. Während eine gute Zeitung davon lebt, dass Gestaltungsabteilung und Redaktion Hand in Hand arbeiten, wurde dieses Prinzip bei der BaZ ab sofort abgeschafft. Die Abteilung wurde gar angewiesen, die grösseren Schweizer Zeitungen abzutelefonieren und nachzufragen, wie man dort in Sachen Layout organisiert sei; man suche bei der BaZ nach effizienteren Wegen für die Erstellung der Layouts. Telefonate, die für diese Fachleute sehr entwürdigend gewesen sein müssen.
Schaut man die BaZ heute an, so ist sie weit entfernt von einem stilprägenden Medium. Nach wie vor regieren Textwüsten. Die Titelhierarchie ist durcheinander geraten. Es gibt Seiten, die in der Zusammensetzung des Layouts beliebig wirken. Bildschwerpunkte sucht man oft vergebens, eine einheitliche Bildsprache scheint es nicht mehr zu geben. Der Typografie wird nicht mehr allzuviel Sorge getragen. Die Zeitung wirkt wie ein Relikt: Man sieht, dass die BaZ visuell einmal grosse Zeiten hatte, aber inzwischen sind davon nur noch Fragmente übriggeblieben. Lesefreundlichkeit sieht anders aus.
Dabei kann man nicht einmal den verbliebenen Mitarbeitern in der Gestaltung einen Vorwurf machen. Sie wollen es eigentlich gut machen, werden aber intern oft ignoriert; kein Wunder, wenn sich da irgendwann Resignation breit macht. Erst recht, wenn jetzt ein Kahlschlag umgesetzt wird. So wie es aussieht wird in Basel nur noch ein Rumpfteam verbleiben und der Rest dann bei der Südostschweiz in Chur erledigt. Es ist auch nicht gerade ein Trost, wenn betroffenen Mitarbeitern allenfalls ein Ersatzjob in Chur angeboten wird, wie die BaZ verlauten liess. Wer will schon täglich 400 Kilometer pendeln.
Eine Zeitung ist dann am besten gemacht, wenn möglichst viel in der Redaktion vor Ort realisiert werden kann. Erfahrungsgemäss hat das Outsourcing im Layoutbereich noch selten dazu geführt, dass ein Titel dann besser ausssieht. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wieviele Telefonate und E‑Mails da in der Tagesproduktion hin- und hergeschoben werden müssen; ob das dann effizienter ist, steht auf einem anderen Blatt. Aber um optische Brillanz geht es bei diesem Projekt ja längst nicht mehr, sondern um das lieblose und rationelle Abwickeln eines produktionellen Vorgangs. Auf der Strecke bleiben die Leidenschaft und die Kreativität. Und – die Zahlen zeigen es bei der BaZ schon längst – die Leser. Schade drum.