Wie steht es eigentlich um die visuelle Identität der Schweizer Kantone? Nun ja – es kommt auf den Kanton drauf an. Ich habe alle 26 Kantonslogos analysiert; was ich zu sehen bekam war in einigen Fällen vorbildlich, oft sehr mittelmässig und bei zwei Beispielen einfach nur hässlich. Doch schaut selbst!
Wer keine Zeit und Lust hat, alle 26 Beiträge durchzulesen, kann hier direkt zu seinem Lieblingskanton hüpfen:
/A / Aargau – Appenzell Ausserrhoden – Appenzell Innerrhoden /B / Basel-Landschaft – Basel-Stadt – Bern / F / Freiburg /G/ Genf – Glarus – Graubünden /J/ Jura /L/ Luzern /N/ Neuenburg – Nidwalden /O/ Obwalden /S/ St. Gallen – Schaffhausen – Schwyz – Solothurn /T/ Tessin – Thurgau /U/ Uri /W/ Waadt – Wallis /Z/ Zug – Zürich
Aargau: Man nehme das Aargauer Kantonswappen, lasse den Hintergrund weg, invertiere die verbleibenden Elemente von weiss auf schwarz – voilà, fertig ist das Logo. Funktioniert eigentlich gar nicht so schlecht – wenn man schon ein sehr grafisches Wappen hat, kann man das ja auch fürs Logo verwenden. Das Problem fängt aber bei der Typografie an: die ist in der Schrift «Arial» gesetzt. Und Arial ist eigentlich gestalterisch ein No Go. Weil sie eine billige und lieblose Kopie der Helvetica ist. Weil sie eine Microsoft-Word-Systemschrift ist, die heutzutags jeder verwendet. Weil sie ein Relikt aus den 1990er-Jahren ist. Arial bedeutet: Wir hatten leider keine bessere Idee und auch kein Geld, darum nehmen wir Arial. Arial stiftet auch keine Identität, weil sowieso jeder Arial benutzt. Und: Arial werden wir in diesem Beitrag – leider – nicht zum letzten Mal begegnen.
Appenzell Ausserrhoden: Simpel, aber zeitgemäss. Die Interstate-Schrift wirkt modern (man beachte auch die hübschen abgeschrägten Ober- und Unterlängen der Buchstaben) und ist sympathisch. Mit dem roten, angedeuteten Wappenrand hat es auch einen nicht penetranten Farbtupfer. Und, im inner-appenzellischen Wettbewerb ja auch nicht ganz irrelevant: Logomässig hat Ausserrhoden gegenüber den Innerrhödlern die Nase vorn, wie wir gleich sehen werden.
Appenzell Innerrhoden: In Innerrhoden könnte man sich designmässig etwas Rat von den Halb-Nachbarn holen. Das Logo wirkt veraltet und sperrig. Was sollen die Quadrate symbolisieren? Man kommt nicht drauf. Warum ist die Anzahl der roten Quadrate niedriger als diejenige der grauen? Man ahnt es nicht. Und die Schrift: Eine Serifenschrift in Grossbuchstaben kann nicht gut wirken. Die Times New Roman hat viele Verdienste, sie ist aber definitiv keine Logoschrift und wirkt veraltet. Ab zum Grafiker!
Basel-Landschaft: Man merkt gut, wenn ein Kanton in seinen visuellen Auftritt investiert hat. Der Kanton Basel Landschaft hat das getan – ganze 140’000 Franken, was dann natürlich prompt zu einer kleinen politischen Kontroverse geführt hat. Als Schrift wurde OCR‑F gewählt, die zwar auch schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat, was man ihr aber nicht ansieht. Detail 1: Der Trennstrich im Rotstab-Symbol fungiert gleichzeitig als Bindestrich (Basel-Landschaft schreibt man immer mit Bindestrich). Das ist nett ausgedacht, ob das optisch allen Betrachtern klar wird, steht auf einem anderen Blatt. Detail 2: Im Corporate-Design-Manual wird erwähnt, dass die Schrift auf der OCR‑B von Adrian Frutiger beruht. Das stimmt zwar; die OCR‑F wurde dann aber vom Niederländer Albert-Jan Pool entwickelt, was im Manual verschwiegen wird.
Basel-Stadt: Lieber Kanton Basel-Stadt – wir müssen reden. Dringend! Du bist die Stadt der Kultur. In deinen Museen hängen Bilder der grössten Maler der Welt. Architektonisch hast du auch einiges zu bieten, Herzog & De Meuron sei dank. Du bist die Stadt der Mäzene, du weisst das Optische wertzuschätzen. Und dann das: Du verwendest in deinem Logo die Schrift Arial? ARIAL? Lies oben bei den Aargauer Kollegen nach, warum das einfach nur fantasielos ist. Basel hat besseres als Arial verdient. Sogar Helvetica wäre besser, wenn auch ebenso einfallslos, aber immerhin ist Helvetica weltberühmt und stammt aus deinem Nachbar-Halbkanton. Arial ist einer Stadt von deinem Format einfach nur unwürdig! Hässlich! Schrecklich! Du hast genug Künstler in deiner Stadt. Das sollte man deinem Logo eigentlich ansehen dürfen. Arial. Ich bin sprachlos!
Bern: Wenn die Basler halt nicht Helvetica verwenden, dann machen es die Berner (korrekt ist es die Helvetica Neue). Liegt ja irgendwie auch nahe, im Kanton Bern befindet sich schliesslich Helvetiens Bundeshauptstadt. Die Schriftwahl ist nicht wahnsinnig kreativ und einfallsreich, aber wenn schon die grössten Brands der Welt auf Helvetica setzen, ist das für den Kanton Bern grad gut genug. Allerdings gibt es ein grosses «aber»: Der Kanton weist in seinem Manual darauf hin, dass Helvetica nur gewählt wird, wenn Drucksachen extern erzeugt werden. Für interne Angelegenheiten wiederum wird Arial verwendet. Was zu der seltsamen Situation führt, dass das Logo auf der Homepage des Kantons mit Arial beschriftet ist. Ansonsten ist das Logo straff; Berner Bär, ein bisschen Farbe, alles da. Gewinnt keinen Design-Preis, ist ein wenig langweilig, aber optisch korrekt und funktionstauglich.
Freiburg: Als sich der Kanton Freiburg im Jahre 2012 einen neuen visuellen Auftritt gönnte, war das Motto klar: «Näher zum Bürger», einerseits, «Modernität verbunden mit der traditionellen Nüchternheit» andererseits – so steht es im Corporate-Design-Manual. Typografiemässig setzt man wie im Kanton Bern auf die «Helvetica Neue», wenn auch in einer leichteren Ausprägung. Auffallender ist das grafische Element: Ein stilisiertes Freiburger-Wappen, das man aber nur zur Hälfte sieht. Warum ist die andere Hälfte nicht sichtbar? Seltsam. Es führt dazu, dass man das Wappen auch als Apostroph interpretieren könnte. Bei aller Stilisierung birgt das Logo also auch etwas missverständliches. Insgesamt aber: Ein modernes und zugleich schlichtes Logo, das als Marke gut funktioniert.
Genf: Typografiemässig setzt man in Genf auf einen Klassiker und benutzt die Frutiger. Man macht damit nichts falsch – die Wahl ist solide, aber nicht übermässig kreativ. Kreativität scheint bei diesem Logo sowieso nicht das Leitmotiv gewesen zu sein. In Genf ist die Devise vermutlich: Wenn man ein schön farbiges Kantonswappen hat, muss man nichts in ein Logo investieren. Noch am originellsten ist hier der Zusatz «Post Tenebras Lux»; die Calvin-Stadt bemüht hier das Motto der Reformation, zu deutsch: «Licht nach der Dunkelheit». Logomässig ist derzeit in Genf eher Dunkelheit angesagt; hoffen wir auf baldiges Licht.
Glarus: Kleine Kantone scheinen in der Wahl des Logos ein gutes Händchen zu haben – wie etwa im Kanton Glarus. Das Kantonslogo wird in der Schrift «Corporate S» gehalten – schön, elegant, modern, unaufgeregt, eine Augenweide. Geschaffen wurde sie vom deutschen Typografen Kurt Weidemann, entwickelt hat er sie zwischen 1985 und 1989 – ein Beweis dafür, dass eine Schrift nie altert, wenn sie gut gemacht ist. Dem Kanton Glarus jedenfalls verleiht sie Identität und positioniert die Marke sehr klar. Dass auch noch der Fridolin mit aufs Logo darf, ist okay, denn dem Glarner Kantonswappen haftet eine Besonderheit an: Es ist das einzige Schweizer Kantonswappen, das einen Menschen zeigt. Nebenbei hat der Corporate-Identity-Guide des Kantons noch eine Besonderheit anzubieten: Er regelt klar, wie das sogenannte «Glarnertüechli» – ein quadratisches Tuch aus Stoff – dargestellt werden muss. Man muss das sehen, um das verstehen zu können.
Graubünden: Oje oje oje. Also: Wir haben hier das Kantonswappen von Graubünden. Wir haben die Nennung des Kantons in drei Sprachen. Und das ganze dann noch in No-Go-Arial. Das ist einfach nur einfallslos und schlecht. Schwer vorstellbar, dass dies das Werk von visuell kompetenten Menschen sein soll; es sieht eher aus wie Technokraten-Pfusch. Vielleicht sollte man mal bei den Kollegen von Graubünden Tourismus abschauen, wie man sich eine würdige visuelle Identität gibt?
Jura: Es gibt Kantone, die sich dem Rest der Schweiz immer mal wieder in Erinnerung rufen müssen. Ein Mittel dazu: visuell prägnant auftreten. Der Kanton Jura machts vor. Sein Logo impliziert: Hallo, wir sind auch wer! Dafür setzt man auf die ganz fetten Buchstaben, aber auch auf einheimisches Schriftschaffen: Univers Pro Extra Black 85 ist hier die Ansage, entworfen vom Berner Typografen Adrian Frutiger in den 1960er-Jahren, der Hochzeit des Schweizer Schriftschaffens. Dass man hier einen Berner Typografen berücksichtigt scheint fast etwas ironisch, wenn man bedenkt, dass sich der Jura ansonsten lieber vom Kanton Bern abkoppelt. Aber vielleicht stellt man hier optische Qualität über geschichtliche Verflechtungen, und das mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein. Der Jura und Univers – doch, das passt.
Luzern: Die Luzerner sind stolz auf ihre schöne Hauptstadt. Das ist – ästhetisch gesprochen – schon mal eine Verpflichtung: Eine Bilderbuch-Region kann es sich nicht leisten, visuell nachlässig zu sein. Diesem Anspruch kommt der Kanton Luzern nach. Sein Logo ist von eleganter Schlichtheit. Es ist sehr grafisch und reduziert, das Kantonswappen wirkt trotz der Reduktion noch immer klar lesbar. Und dann die Schrift: Futura! Man muss sie lieben. Ein Klassiker im deutschen Bauhaus-Stil, entwickelt 1930, als gerade der Tourismus in Luzern aufblühte. Die Futura wirkt sehr klar, prominent und doch zurückhaltend. Einziges Problem von Futura: Früher war es die Hausschrift von Volkswagen, in den 1960er-Jahren wurde sie für die ikonischen VW-Werbeanzeigen verwendet. Es ist immer schwierig, wenn ein Konzern eine Schrift für sich gepachtet hat – sie wird dann für andere Unternehmen als Display-Schrift fast unbenutzbar. Gottlob hat VW der Futura längst den Rücken gekehrt. Ein Wort noch zum Corporate-Design-Manual des Kantons Luzern: Es ist fast wohltuend, wie hier der Kanton auf Understatement macht. Es wird ins Logo nicht irgendwelches Bla-Bla reinprojeziert, sondern es heisst zu Anfang klipp und klar: «Der Kanton Luzern ist kundenfreundlich und effizient. Das drückt er mit einem modernen, schlanken Erscheinungsbild aus». Danach gehts nur noch um die formalen Fragen. Löblich!
Neuenburg: Am 30. Mai 2008 verschickte die Kantonskanzlei Neuenburg eine bemerkenswert schmucklose Medienmitteilung (natürlich mit Laufschrift Arial, was ja schon mal ein böses Omen war) und verkündete: «Der Kanton Neuenburg hat eine neue visuelle Identität». Nachfolgend hiess es, dass das neue Logo «den Akzent auf neue Technologien legt». Was man dann zu sehen bekam war ein optisches Desaster. Zuerst einmal sind Logos mit «xyz.ch» sowieso veraltet. Das klingt so nach «hey, wir machen jetzt auch was mit Internet». Aber eine Kantonsverwaltung ist nun mal kein Internet-Startup. Dann ist das Logo formal schwach: Das schräg gestellte Kantonswappen neben der geraden Schrift wirkt unsymmetrisch. Das «ne.ch» hat zuviel Abstand zwischen den Buchstaben. Wenn man die Buchstaben näher betrachtet, wirken sie unförmig, als ob hier an der Schrift herumgeschnipselt worden ist. Die Schrift ist nicht klar identifizierbar; es scheint eine Mischung zwischen Helvetica und Arial zu sein, die man irgendwie frisiert hat. Es herrscht ein Wirr-Warr auf wenig Raum, alles wirkt beliebig, nichts passt zusammen. Definitiv ein Anwärter für die Kategorie «Schlechtestes Kantonslogo der Schweiz». Wobei das Corporate-Design im Kanton Neuenburg generell eher eine unbedeutende Rolle spielt. Als der Regierungsrat kürzlich seine Legislaturziele präsentierte, tat er dies mit einer Power-Point-Präsentation, die alles beinhaltete, was man optisch in einer Power-Point-Präsentation unterlassen sollte. Voilà!
Nidwalden: Kantonswappen nehmen, Kantonsname drunter, fertig: Das hatten wir ja schon mal mit den Bündnern. Wenn man es aber schon so machen möchte, dann zeigen die Nidwaldner, das dies optisch auch gefällig geht; man hat hier wenigstes noch ein bisschen mehr Denkarbeit reingesteckt als in Graubünden, etwa, indem das Wappen leicht stilisiert wurde. Schriftmässig hat man sich für die Gill Sans entschieden, und das ist halt wieder so ein Ding: Verkehrt macht man damit nichts, die Gill Sans hat sich über Jahrzente bewährt und ist grundsolide. Andererseits zeugt diese Wahl auch nicht gerade von viel Phantasie – einmal mehr wird hier auf Bewährtes gesetzt, ein bisschen mehr visueller Mut wäre angezeigt gewesen. Der Doppelschlüssel übrigens hat eine interessante Vergangenheit: Entstanden ist er, weil im Mittelalter der Wunsch entstand, sich deutlich vom Nachbarn Obwalden zu unterscheiden, und so machte man aus dem obwaldnerischen Einzel- den nidwaldnerischen Doppelschlüssel. Oder mit anderen Worten: Schon im 15. Jahrhundert hat man sich mit Fragen der visuellen Identität auseinandergesetzt, schamlos kopiert und neuinterpretiert. Immerhin: Der Doppelschllüssel erhielt sogar den päpstlichen Segen.
Obwalden: 2009 gab sich der Kanton Obwalden ein neues Erscheinungsbild. Der damalige Landschreiber umriss in der «Neuen Obwaldner Zeitung» die Ausgangslage so: «Wir wollten kein fantasievolles Logo». Ein innovatives Design-Briefing sieht anders aus. Immerhin hat man sich getraut, nicht die klassische Wappenform zu verwenden und hat den Schlüssel leicht modernisiert. Für den Schriftzug hat man dann Frutiger genommen, einen Schweizer Klassiker. Um Kosten zu sparen, sind die Obwaldner sehr trickreich vorgegangen: Man hat von der Anmutung her das Logo und das CI der Eidgenossenschaft kopiert. Nochmals Urs Wallimann: «So konnten wir uns das Schreiben von über hundert Seiten Corporate-Design-Vorschriften sparen». Damit musste man lediglich 10’000 Franken in die Hand nehmen – Pragmatismus nach Obwalnder Art. Immerhin reichte dies, damit es das neue Obwaldner Logo sogar auf irgendwelche deutschen Design-Blogs geschafft hat.
St. Gallen: Das St. Galler Logo hat es bis in den «Blick» gebracht. Der Grund: Im Logo fehlt zwischen «St.» und «Gallen» ein Leerschlag. Das ist nicht etwa ein Versehen, sondern wird im Design-Manual glasklar so festgehalten. Unter «Regelfall» steht da: «Kein Leerschlag zwischen «St.» und «Gallen». Ist das jetzt einfach ein Gestaltungsfurz? Die Staatskanzlei begründete die Weglassung damit, dass man «St. Gallen» schon seit Jahren ohne Leerschlag schreibe, da dies ästhetischer sei. Ein schönes Beispiel dafür, dass kleinste ästhetische Entscheidungen eine interessante Kontroverse auslösen können. Ansonsten bleibt zu sagen, dass das Logo zwar funktional, aber auch nicht wahnsinnig kreativ ist: Eine fette Helvetica, dazu das Kantonswappen, fertig. Da ist der weggelassene Leerschlag noch das Originellste.
Schaffhausen: Beim ersten Blick auf das Schaffhauser Logo bleibt Ratlosigkeit zurück. Ist das schon alles? Gelb, Schwarz, der Bock, die Internetadresse in Helvetica? Uff. Im Wettbewerb «Schlechtestes Kantonslogo der Schweiz» würde sich Schaffhausen wohl gemeinsam mit Neuenburg um den ersten Platz streiten. Okay, das Logo ist schon etwas angejahrt, es wurde 2002 eingeführt. Damals war ja das Internet noch irgendwie neu und man wollte zeigen, dass man dem Modernen nicht abgeneigt ist. Heute wirkt das nur noch lächerlich. Für die damals 50’000 investierten Franken wäre auch etwas spannenderes dringelegen. Das Logo hat dem Zahn der Zeit nicht standgehalten. Nach fünfzehn Jahren dürfte man etwas Neues wagen. Wenn man so ein Logo hat, kanns nur noch besser werden. Viel Glück!
Schwyz: Im Kanton Schwyz wird die Demokratie sehr sehr ernst genommen. Und so kommt es, dass dem Schwyzer Kantonswappen eine besondere Ehre zuteil wird: Es ist das einzige Kantons-Logo, das einer Volksabstimmung unterzogen werden musste. Als sich Schwyz nämlich im Jahre 1995 daran machte, seinen visuellen Auftritt zu überdenken, formierte sich das «Komitee Logostop». Dieses wollte sich gegen die Verschandelung des bisherigen Schwyzer Kantonswappens wehren. Offenbar waren die Vertreter des Komitees aber eher vom Bewahrertum denn vom visuellen Sachverstand geleitet. Der Kanton Schwyz ging die Erarbeitung seiner neuen visuellen Identität nämlich sehr vorbildlich, koordiniert und seriös an. Enstanden ist ein Logo, dass auch nach 20 Jahren zeitlos wirkt. Die Schrift, «Trade Gothic», ist eine überraschende und ungewohnte Wahl; das stilisierte Logo zeigt neben dem Schwyzer Wappen auch noch das Schweizerkreuz. Mehr Schwyz bzw. Schweiz in einem Logo geht nicht. Immerhin sah das auch das Schwyzer Stimmvolk so – und erteilte der Logostop-Initative mit 57 Prozent Nein-Anteil eine deutliche Abfuhr.
Solothurn: Das Solothurner Logo hat irgendwie den Charme einer ausgebeulten Jeans: Alles fällt auseinander. Man will zuviel und erreicht zuwenig. Da wäre zuerst einmal das stilisierte Kantonswappen, was ja noch ganz okay ist. Dann haben wir das Wort «Kanton» versal gesetzt; es folgt das gefettete «Solothurn» in Kleinschrift. Und das Ganze stellt man auch noch kursiv. Wenn man verschiedene Schriftschnitte durcheinandermixt, ist das selten überzeugend. Weiter gibt es hier ein Problem mit den Abständen zwischen den Buchstaben; sie sind nicht ausgewogen, was dann dazu führt, dass das Logo irgendwie aus der Form gefallen ist. Da hilfts auch wenig, dass man auf den Klassiker «Frutiger» als Schriftart setzt.
Thurgau: In Sachen Schriftwahl ist dem Kanton Thurgau ein kleines Glanzstück gelungen. Schaut man sich das Logo an, denkt man: «Aha, Helvetica»; und, wir hatten das schon zur Genüge, das wäre dann solide aber einfallslos gewesen. Doch so schnell täuscht man sich: Thurgau verwendet nämlich nicht die Helvetica, sondern die Berthold Akzidenz Grotesk. Und, jetzt kommts: Das ist exakt diejenige Schrift, von der sich die Helvetica-Macher inspiereren liessen, bevor sie ihren Welterfolg lancierten. Was wiedermal beweist: Auch bei Welterfolgen ist vieles nur abgeguckt. Im Falle des Thurgaus aber führt es dazu, dass man schriftmässig Eigenständigkeit beweist. Die stiliserten Löwen passen gut dazu. Naheliegender wäre zwar irgendwas mit einem Apfel gewesen; doch das überlässt man lieber dem Standort-Marketing. Und wenn man deren Logo anschaut, ist man ganz froh, dass es die Kantonsverwaltung eher klassisch angeht.
Tessin: Der Kanton Tessin hat im innerschweizerischen Kantonswettbewerb einen entscheidenden Vorteil: Wenn man nur schon an den Begriff «Tessin» denkt, entstehen positive Bilder im Kopf; Grottos, Sonnenstube, Merlot, Italianata. Das ist marketingtechnisch unbezahlbar, für das Logo-Design der Kantonsverwaltung aber auch eine Herausforderung – wie transportiert man das Wesen das Kantons prägnant? Das Tessin operiert mit dem Kantonskürzel und benutzt dafür die Schriftart Gill Sans, was hier ein Glücksfall ist. Die Gill Sans hat ein paar sehr markige Buchstaben, zum Beispiel das «t» mit dem scharfen Schrägbalken und das «i» mit seinem kugeligen i‑Pünktchen. In Kombination zum «ti» gelingt so ein kerniger und stimmiger Auftritt. Dazu das sowieso in sympathischen Farben gehaltene Kantonslogo – und man kann gar nicht mehr anders, als sich in Gedanken schon durch den Gotthard zu begeben.
Uri: Uri hat den kürzesten Kantonsnamen der Schweiz. Damit kann man typografisch etwas interessantes machen – und die Urner lassen sich diese Chance nicht entgehen. Man benutzt darum die Schrift ITC Avant Garde Gothic Medium. Entwickelt wurde sie in den 1960-er Jahren – was man ihr aber kaum ansieht, sie wirkt auch heute noch sehr modern. Es ist eine Schrift mit klar geschnittenen Buchstaben und für ein Kurzwort wie «Uri» die perfekte Wahl. Dass man noch den Uristier neben das Logo stellt, kann man aus lokalpatriotischen Gründen zwar nachvollziehen. Nötig ist das Wappen aber nicht – denn der Schriftzug hat für sich alleine genug Kraft, um Uri zu repräsentieren.
Waadt: Im Waadtland verlässt man sich auf normiertes deutsches Schriftschaffen. Die Din Next Rounded hat ihre Wurzeln im «Deutschen Institut für Normung», was ja für sich schon Solidität verspricht. In ihrer gerundeten Form strahlt diese Schrift Sympathie aus – ein Zeichen, dass man sich in der Waadt nicht nur als nüchterne Kantonsbehörde sehen möchte. Ob es jetzt wirklich nötig ist, das ganze Logo in die Vertikale zu setzen, steht auf einem anderen Blatt – einen Vorteil für den Leser bietet das nicht, und ein Ausbund an Kreativität ist es ebenfalls nicht. Und auch wenn Grün für die Kantonsfarbe steht, ist es hier etwas zuviel des Guten. So lässt einen das Waadt-Logo mit gemischten Gefühlen zurück – gute Schriftwahl, aber ansonsten hat man nicht wahnsinnig viel daraus gemacht.
Wallis: Es ist schon spannend, wie gewisse Schriften im richtigen Kontext toll wirken können – oder total abfallen. Im Wallis setzt man auf die Schrift Futura Condensed. Futura ist ja auch im Kanton Luzern im Einsatz – und funktioniert dort einwandfrei. Im Wallis hingegen wirkt der Einsatz von Futura unmotiviert. Wenn man zwar das Logo isoliert betrachtet, hat es was gefälliges, aber eher wegen dem stilisierten Kantonswappen. Der Grund, dass das Logo dem Kanton trotzdem nur mangelnde Identität verpasst, liegt im alltäglichen Einsatz. Auf der Homepage sieht man vom Logo nicht viel – da ist nur noch das stilisierte Wappen da, und der Schriftzug «Kanton Wallis» ist in einer Systemschrift gesetzt. Und wenn das Wallis Pressemitteilungen verschickt, ist dort das Logo immer unscharf drauf. Der Umgang mit dem Logo ist inkonsequent und zeigt: Nur ein nettes Logo zu haben nützt noch gar nichts.
Zug: Zum letzten mal lässt sich in diesem Beitrag beweisen, dass die kleinen Kantone bezüglich grafischer Sprache Streber sind. In seinem CI-Manual sagt der Kanton Zug, was Sache ist: «Mehr als ein Logo: das System zu einer visuellen Identität» steht da. Im Gegensatz zum Wallis hat man also verstanden, dass der visuelle Auftritt nach Aussen nicht nur mit dem Logo erledigt ist. Das Logo selbst ist klar und reduziert; dass Zug den Ruf einer effizienten Verwaltung geniesst, schlägt sich im Design nieder. Als Schrift kommt hier die «Corporate S» zum Einsatz, mit dem ein anderer Kleinkanton – Glarus – ja ebenfalls gute Erfahrungen gemacht hat. Das stilisierte Kantonswappen ist stringent. Da man sich mit der Corporate S für eine seriöse, unaufgeregte Schrift entschieden hat, ist es ausserdem gut und nötig, dass das mit dem Wappen noch ein grafisches Element vorhanden ist.
Zürich: So für sich betrachtet wirkt das Zürcher Kantonslogo nicht allzu aufregend. Der Zürileu – sehr grafisch, ganz okay. Das Züriwappen: bewährt und bekannt. Der Schriftzug: Helvetica Black – nicht falsch, aber auch nicht innovativ. Aber jetzt kommts: So, wie diese drei Elemente in Zürich eingesetzt werden, entfalten sie eine ganz eigene Wirkung. Im Briefverkehr zum Beispiel prangt links oben der Zürileu, während Wappen und Schriftzug auf die rechte Seite des Briefkopfs gelangen. Wenn man das sieht, stellt man fest, dass hier sehr souverän mit diesen Elementen umgegangen wird. Trotzdem ist es etwas bedauerlich, dass Zürich als grösste Stadt des Landes – und demzufolge auch als Design-Hot-Spot – nicht etwas innovativeres zustande bringt. Wenigstens aber steht hinter dem Umgang mit den eher traditionellen Elementen eine bewusste Haltung. Abgesehen davon kann man dem Kanton Zürich eine andere Auszeichnung verleihen: Diejenige für das optisch aufregendste Corporate-Design-Manual einer Kantonsverwaltung. Es lohnt sich, darauf einen Blick zu werfen.