Tame­dia: Ein Lay­out für alle – geht das gut?

Die Logos der Zei­tun­gen Tages Anzei­ger, Der Bund, Ber­ner Zei­tung, Der Land­bo­te und Zürich­see Zeitung

Die Edi­to­ri­al-Design-Agen­tu­ren in die­sem Land dür­fen sich schon mal in Stel­lung brin­gen: Am Hori­zont lau­ert ein Gross­auf­trag. Wie der Ver­lag Tame­dia am Mitt­woch bekannt gab, will er sei­ne Man­tel­re­dak­ti­on in «Kom­pe­tenz­zen­tren» bün­deln (was für ein tech­no­kra­ti­sches Wort!). Damit das mög­lich ist, will man ab Mit­te 2018 auch das Lay­out für alle Tame­dia-Titel in der Deutsch­schweiz vereinheitlichen.

Um das mal zu ver­deut­li­chen: Wir spre­chen hier von einer täg­li­chen gedruck­ten Auf­la­ge von rund 385’000 Exem­pla­ren und von über einer Mil­li­on Lesern. Umfas­sen wird dies min­des­tens 10 Titel (Tages Anzei­ger, Der Bund, Ber­ner Zei­tung mit ihren Kopf­blät­tern Ber­ner Ober­län­der, Lan­gen­tha­ler Tag­blatt und Thu­ner Tag­blatt, Der Land­bo­te, Zür­cher Ober­län­der und Zür­cher Unter­län­der). Was für eine Auf­ga­be! Wer mit dem Ersin­nen die­ses Lay­outs beauf­tragt wird, dem dür­fen schon mal Ner­ven aus Stahl, Geduld und Dis­kus­si­ons­freu­dig­keit gewünscht wer­den. Ein Lay­out auf sovie­le Titel aus­zu­rol­len ist ein Kraft­akt. Aber immer­hin darf man sich dann damit brüs­ten, auf­la­gen­mäs­sig das am meis­ten ver­brei­te­te Zei­tungs­lay­out in die­sem Land kre­iert zu haben.

Ganz neu ist das ja nicht, denn die Lay­out-Tei­le­te ist schon heu­te gang und gäbe im Hau­se Tamedia:

  • Tages Anzei­ger und Der Bund erschei­nen heu­te schon im glei­chen Lay­out, wes­halb ja der Bund iro­nisch «der klei­ne Tagi» genannt wird, nach­dem ihm das Tagi-Lay­out über­ge­stülpt wur­de. Das aktu­el­le Lay­out des Tages Anzei­gers stammt aus dem Jahr 2009 und wur­de 2014 leicht auf­ge­frischt.  Ent­wi­ckelt wur­de das Design von den Zür­cher Gestal­tern Tom Men­zi und Dani­el Stäh­eli. In ihrem Ent­wurf haben sich die Desi­gner an den «Guar­di­an» ange­lehnt; da und dort wur­de auch etwas gar offen­sicht­lich abge­kup­fert. Von der Anmu­tung her wirkt das Tagi-Lay­out auf den Stan­dard­sei­te heu­te recht blei­ern; der erzwun­ge­ne Weiss­raum zwi­schen den Titel­ei­en und den Arti­keln mutet hin­ge­gen etwas gar gross­zü­gig an. Spal­ten­mäs­sig wird im Grund­satz der Fünf­spal­ter gefah­ren, was eigent­lich gut funk­tio­niert. Auf gewis­sen Sei­ten hin­ge­gen regiert der Vier­spal­ter (z. B. auf der Sei­te «Hin­ter­grund & Debat­te»). Man will damit wohl gewis­sen Tex­ten Gewicht ver­lei­hen, aller­dings ent­ste­hen dar­aus recht lan­ge Zei­len – ich selbst wer­de mit dem Vier­spal­ter nicht ganz warm. Auch der Sechs­spal­ter hat im Tagi sei­nen Platz: Auf der «Kehr­sei­te» – den ver­misch­ten Mel­dun­gen gönnt man offen­bar etwas mehr Dyna­mik im Spaltensatz.
  • Auch alle Regio­nal­zei­tun­gen bei Tame­dia erschei­nen heu­te schon im Ein­heits­lay­out, dass dann je nach Titel leicht vari­iert wird. Die Basis dafür ist das Grund­lay­out der Ber­ner Zei­tung. Das aktu­el­le Lay­out wur­de bei der BZ im Herbst 2011 ein­ge­führt und stammt vom Ber­li­ner Gra­fik­bü­ro Two­ty­pe. 2014 dann wur­de das Lay­out auf die übri­gen Regio­nal­ti­tel (Land­bo­te, Zürich­see Zei­tung) aus­ge­rollt. Die Zei­tun­gen erschei­nen durch­ge­hend im sechs­spal­ti­gen Lay­out. Die­ses wird aber oft über­stra­pa­ziert. So kann es sein, dass etwa bei The­men-Dop­pel­sei­ten eine Sto­ry über 12 Spal­ten gefah­ren wird, was dann aber sehr flat­ter­haft und ver­wirrt anmu­tet. Auf gewis­sen Regio­nal­sei­ten wird Arti­kel auf Arti­kel gesta­pelt, was im Sechs­spal­ter erfah­rungs­ge­mäss nicht gut kommt. Der Sechs­spal­ter erfor­dert klar gestal­te­te Sei­ten mit guten Schwer­punk­ten, damit das Spal­ten­wirr­warr nicht zu belie­big wirkt.

Nun also macht man sich an die Auf­ga­be, ein Ein­heits­lay­out für alle Titel zu ent­wer­fen. Kaum war die Mel­dung zum Lay­out raus, konn­te man in den sozia­len Medi­en  den gern zitier­ten Spruch vom «Ein­heits­brei» lesen, der jetzt noch mehr gras­sie­re. Vom Iden­ti­täts­ver­lust der Regio­nal­ti­tel war die Rede.

Doch viel­leicht ist hier eine prag­ma­ti­sche­re Sicht­wei­se durch­aus ange­zeigt. Es war frü­her tat­säch­lich so, dass jede Regio­nal­zei­tung in die­sem Land ihr eige­nes Lay­out hat­te. Ja, das kann iden­ti­täts­stif­tend gewirkt haben. Das Pro­blem aber war, dass die­se Lay­outs nicht immer zu über­zeu­gen ver­moch­ten. Das ande­re Pro­blem bei vie­len Regio­nal­zei­tun­gen ist, dass inhouse oft nicht all­zu­viel Lay­out­kom­pe­tenz da ist – man hat sich also ein Rede­sign geleis­tet, aber das Lay­out dann nicht gut ange­wen­det und schlecht gepflegt. Das bes­te Lay­out nützt lei­der nichts, wenn nicht Leu­te da sind, wel­che das for­mal ent­spre­chend umset­zen können.

Von der Phi­lo­so­phie «Jede Zei­tung muss anders sein» ist man in den letz­ten Jah­ren sowie­so weg­ge­kom­men, natür­lich auch bedingt durch den media­len Kon­zen­tra­ti­ons­pro­zess in die­sem Land. Und auch wenn es bei sol­chen Ver­ein­heit­li­chun­gen zuerst immer Auf­stand im Publi­kum gab, hat man sich dann mit­tel­fris­tig doch damit arran­giert. Oder anders gesagt: Der Win­ter­thu­rer zieht sei­ne Iden­ti­tät wohl kaum aus dem Aus­se­hen der Zei­tung her­aus – es ist ihm ver­mut­lich sogar ziem­lich egal, ob jetzt die Ber­ner Zei­tung ähn­lich aus­sieht, denn die hat er ja sowie­so nicht abon­niert. Da ist es also viel wich­ti­ger, dass man den Redak­tio­nen taug­li­che Lay­outs anbie­tet und die­se pflegt, statt über­all eine teu­re Spe­zi­al­lö­sung zu unter­hal­ten. Bes­ser man inves­tiert in ein sehr gutes Lay­out statt in vie­le schlechte.

Die gröss­te Hür­de im Tame­dia-Pro­jekt scheint mir, dass sowohl der Tagi und der Bund als auch die Regio­nal­zei­tun­gen das künf­ti­ge Lay­out tei­len – die Unter­scheid­bar­keit zwi­schen den schwer­ge­wich­ti­gen Blät­tern und den Regio­nal­ti­teln wird auf­ge­ho­ben. Beson­ders absurd könn­te die Situa­ti­on in Bern wer­den, wo der Bund und die Ber­ner Zei­tung dann in dem­sel­ben Lay­out daher­kom­men – natür­lich kann man die Schmuck­far­ben noch etwas vari­ie­ren, und wei­ter­hin hat jede Zei­tung noch ihren eige­nen Zei­tungs­kopf. Ob das aber zur Dif­fe­ren­zie­rung aus­reicht, wird sich wei­sen müssen.

Den Tame­dia-Ver­ant­wort­li­chen ist also in Sachen Lay­out ein glück­li­ches Händ­chen zu wün­schen. Der Ver­lag steht auch in der Pflicht, hier einen anstän­di­gen Wurf zu prä­sen­tie­ren und nicht etwas zu erfin­den, das nur den Kom­pro­mis­sen genügt. Der Grund für die Lay­out­re­vi­si­on ist hier ja nicht opti­scher Natur, son­dern dass man alle Titel künf­tig pro­blem­los mit den Inhal­ten der «Kom­pe­tenz­zen­tren» bestü­cken kann. Trotz­dem darf dies bei der Krea­ti­on des neu­en Lay­outs nicht der ein­zi­ge Trei­ber sein; das neue Lay­out muss auch optisch, for­mal und inhal­tich höchs­ten Ansprü­chen genü­gen, trotz aller Syn­er­gien­be­stre­bun­gen. Und es müs­sen die Vor­aus­set­zun­gen geschaf­fen wer­den, dass die­ses Lay­out dann in den vie­len Redak­tio­nen auch  kon­se­quent ange­wen­det wer­den kann, gera­de auch in den Regio­nal­tei­len. Es ist zu hof­fen, dass dem Ver­lag die­ser sehr anspruchs­vol­le Spa­gat gelingt – und ich bin schon jetzt gespannt auf das Ergeb­nis. Und zumin­dest einen Wunsch hät­te ich noch an die Ver­ant­wort­li­chen: Dass sie Schwei­zer Desi­gner mit dem Pro­jekt beauf­tra­gen. Es gibt in die­sem Land genug fähi­ge Leu­te, die so etwas beherr­schen. Und wenn man schon über eine Mil­li­on Leser in die­sem Land anspricht, ist es nichts mehr als recht, wenn hier auch Schwei­zer Kom­pe­tenz hin­ter dem Lay­out steckt. Nicht umsonst hat die Schweiz eine lan­ge gra­fi­sche Tra­di­ti­on, die von man­chen Ver­lags­häu­sern aber lei­der igno­riert wird.

26 Kan­to­ne, 26 Logos

Logos aller Kantone in der Schweiz

Wie steht es eigent­lich um die visu­el­le Iden­ti­tät der Schwei­zer Kan­to­ne? Nun ja – es kommt auf den Kan­ton drauf an. Ich habe alle 26 Kan­tons­lo­gos ana­ly­siert; was ich zu sehen bekam war in eini­gen Fäl­len vor­bild­lich, oft sehr mit­tel­mäs­sig und bei zwei Bei­spie­len ein­fach nur häss­lich. Doch schaut selbst!

Wer kei­ne Zeit und Lust hat, alle 26 Bei­trä­ge durch­zu­le­sen, kann hier direkt zu sei­nem Lieb­lings­kan­ton hüpfen:

/A /  Aar­gauAppen­zell Aus­ser­rho­denAppen­zell Inner­rho­den /B / Basel-Land­schaftBasel-StadtBern / F / Frei­burg /G/ GenfGla­rusGrau­bün­den /J/  Jura /L/ Luzern /N/ Neu­en­burgNid­wal­den /O/ Obwal­den /S/ St. Gal­lenSchaff­hau­senSchwyzSolo­thurn /T/ Tes­sinThur­gau /U/ Uri /W/ WaadtWal­lis /Z/ ZugZürich


Aar­gau: Man neh­me das Aar­gau­er Kan­tons­wap­pen, las­se den Hin­ter­grund weg, inver­tie­re die ver­blei­ben­den Ele­men­te von weiss auf schwarz – voi­là, fer­tig ist das Logo. Funk­tio­niert eigent­lich gar nicht so schlecht – wenn man schon ein sehr gra­fi­sches Wap­pen hat, kann man das ja auch fürs Logo ver­wen­den. Das Pro­blem fängt aber bei der Typo­gra­fie an: die ist in der Schrift «Ari­al» gesetzt. Und Ari­al ist eigent­lich gestal­te­risch ein No Go. Weil sie eine bil­li­ge und lieb­lo­se Kopie der Hel­ve­ti­ca ist. Weil sie eine Micro­soft-Word-Sys­tem­schrift ist, die heut­zu­tags jeder ver­wen­det. Weil sie ein Relikt aus den 1990er-Jah­ren ist. Ari­al bedeu­tet: Wir hat­ten lei­der kei­ne bes­se­re Idee und auch kein Geld, dar­um neh­men wir Ari­al. Ari­al stif­tet auch kei­ne Iden­ti­tät, weil sowie­so jeder Ari­al benutzt. Und: Ari­al wer­den wir in die­sem Bei­trag – lei­der – nicht zum letz­ten Mal begegnen.


Appen­zell Aus­ser­rho­den: Sim­pel, aber zeit­ge­mäss. Die Inter­sta­te-Schrift wirkt modern (man beach­te auch die hüb­schen abge­schräg­ten Ober- und Unter­län­gen der Buch­sta­ben) und ist sym­pa­thisch. Mit dem roten, ange­deu­te­ten Wap­pen­rand hat es auch einen nicht pene­tran­ten Farb­tup­fer. Und, im inner-appen­zel­li­schen Wett­be­werb ja auch nicht ganz irrele­vant: Logo­mäs­sig hat Aus­ser­rho­den gegen­über den Inner­r­höd­lern die Nase vorn, wie wir gleich sehen werden.


Appen­zell Inner­rho­den: In Inner­rho­den könn­te man sich design­mäs­sig etwas Rat von den Halb-Nach­barn holen. Das Logo wirkt ver­al­tet und sper­rig. Was sol­len die Qua­dra­te sym­bo­li­sie­ren? Man kommt nicht drauf. War­um ist die Anzahl der roten Qua­dra­te nied­ri­ger als die­je­ni­ge der grau­en? Man ahnt es nicht. Und die Schrift: Eine Seri­fen­schrift in Gross­buch­sta­ben kann nicht gut wir­ken. Die Times New Roman hat vie­le Ver­diens­te, sie ist aber defi­ni­tiv kei­ne Logo­schrift und wirkt ver­al­tet. Ab zum Grafiker!


Basel-Land­schaft: Man merkt gut, wenn ein Kan­ton in sei­nen visu­el­len Auf­tritt inves­tiert hat. Der Kan­ton Basel Land­schaft hat das getan – gan­ze 140’000 Fran­ken, was dann natür­lich prompt zu einer klei­nen poli­ti­schen Kon­tro­ver­se geführt hat. Als Schrift wur­de OCR‑F gewählt, die zwar auch schon ein paar Jähr­chen auf dem Buckel hat, was man ihr aber nicht ansieht. Detail 1: Der Trenn­strich im Rot­stab-Sym­bol fun­giert gleich­zei­tig als Bin­de­strich (Basel-Land­schaft schreibt man immer mit Bin­de­strich). Das ist nett aus­ge­dacht, ob das optisch allen Betrach­tern klar wird, steht auf einem ande­ren Blatt. Detail 2: Im Cor­po­ra­te-Design-Manu­al wird erwähnt, dass die Schrift auf der OCR‑B von Adri­an Fru­ti­ger beruht. Das stimmt zwar; die OCR‑F wur­de dann aber vom Nie­der­län­der Albert-Jan Pool ent­wi­ckelt, was im Manu­al ver­schwie­gen wird.


Basel-Stadt: Lie­ber Kan­ton Basel-Stadt – wir müs­sen reden. Drin­gend! Du bist die Stadt der Kul­tur. In dei­nen Muse­en hän­gen Bil­der der gröss­ten Maler der Welt. Archi­tek­to­nisch hast du auch eini­ges zu bie­ten, Her­zog & De Meu­ron sei dank. Du bist die Stadt der Mäze­ne, du weisst das Opti­sche wert­zu­schät­zen. Und dann das: Du ver­wen­dest in dei­nem Logo die Schrift Ari­al? ARIAL? Lies oben bei den Aar­gau­er Kol­le­gen nach, war­um das ein­fach nur fan­ta­sie­los ist. Basel hat bes­se­res als Ari­al ver­dient. Sogar Hel­ve­ti­ca wäre bes­ser, wenn auch eben­so ein­falls­los, aber immer­hin ist Hel­ve­ti­ca welt­be­rühmt und stammt aus dei­nem Nach­bar-Halb­kan­ton. Ari­al ist einer Stadt von dei­nem For­mat ein­fach nur unwür­dig! Häss­lich! Schreck­lich! Du hast genug Künst­ler in dei­ner Stadt. Das soll­te man dei­nem Logo eigent­lich anse­hen dür­fen. Ari­al. Ich bin sprachlos!


Bern: Wenn die Bas­ler halt nicht Hel­ve­ti­ca ver­wen­den, dann machen es die Ber­ner (kor­rekt ist es die Hel­ve­ti­ca Neue). Liegt ja irgend­wie auch nahe, im Kan­ton Bern befin­det sich schliess­lich Hel­ve­ti­ens Bun­des­haupt­stadt. Die Schrift­wahl ist nicht wahn­sin­nig krea­tiv und ein­falls­reich, aber wenn schon die gröss­ten Brands der Welt auf Hel­ve­ti­ca set­zen, ist das für den Kan­ton Bern grad gut genug. Aller­dings gibt es ein gros­ses «aber»: Der Kan­ton weist in sei­nem Manu­al dar­auf hin, dass Hel­ve­ti­ca nur gewählt wird, wenn Druck­sa­chen extern erzeugt wer­den. Für inter­ne Ange­le­gen­hei­ten wie­der­um wird Ari­al ver­wen­det. Was zu der selt­sa­men Situa­ti­on führt, dass das Logo auf der Home­page des Kan­tons mit Ari­al beschrif­tet ist. Ansons­ten ist das Logo straff; Ber­ner Bär, ein biss­chen Far­be, alles da. Gewinnt kei­nen Design-Preis, ist ein wenig lang­wei­lig, aber optisch kor­rekt und funktionstauglich.


Frei­burg: Als sich der Kan­ton Frei­burg im Jah­re 2012 einen neu­en visu­el­len Auf­tritt gönn­te, war das Mot­to klar: «Näher zum Bür­ger», einer­seits, «Moder­ni­tät ver­bun­den mit der tra­di­tio­nel­len Nüch­tern­heit» ande­rer­seits – so steht es im Cor­po­ra­te-Design-Manu­al. Typo­gra­fie­mäs­sig setzt man wie im Kan­ton Bern auf die «Hel­ve­ti­ca Neue», wenn auch in einer leich­te­ren Aus­prä­gung. Auf­fal­len­der ist das gra­fi­sche Ele­ment: Ein sti­li­sier­tes Frei­bur­ger-Wap­pen, das man aber nur zur Hälf­te sieht. War­um ist die ande­re Hälf­te nicht sicht­bar? Selt­sam. Es führt dazu, dass man das Wap­pen auch als Apo­stroph inter­pre­tie­ren könn­te. Bei aller Sti­li­sie­rung birgt das Logo also auch etwas miss­ver­ständ­li­ches. Ins­ge­samt aber: Ein moder­nes und zugleich schlich­tes Logo, das als Mar­ke gut funktioniert.


Genf: Typo­gra­fie­mäs­sig setzt man in Genf auf einen Klas­si­ker und benutzt die Fru­ti­ger. Man macht damit nichts falsch – die Wahl ist soli­de, aber nicht über­mäs­sig krea­tiv. Krea­ti­vi­tät scheint bei die­sem Logo sowie­so nicht das Leit­mo­tiv gewe­sen zu sein. In Genf ist die Devi­se ver­mut­lich: Wenn man ein schön far­bi­ges Kan­tons­wap­pen hat, muss man nichts in ein Logo inves­tie­ren. Noch am ori­gi­nells­ten ist hier der Zusatz «Post Ten­ebras Lux»; die Cal­vin-Stadt bemüht hier das Mot­to der Refor­ma­ti­on, zu deutsch: «Licht nach der Dun­kel­heit». Logo­mäs­sig ist der­zeit in Genf eher Dun­kel­heit ange­sagt; hof­fen wir auf bal­di­ges Licht.


Gla­rus: Klei­ne Kan­to­ne schei­nen in der Wahl des Logos ein gutes Händ­chen zu haben – wie etwa im Kan­ton Gla­rus. Das Kan­tons­lo­go wird in der Schrift «Cor­po­ra­te S» gehal­ten – schön, ele­gant, modern, unauf­ge­regt, eine Augen­wei­de. Geschaf­fen wur­de sie vom deut­schen Typo­gra­fen Kurt Wei­de­mann, ent­wi­ckelt hat er sie zwi­schen 1985 und 1989 – ein Beweis dafür, dass eine Schrift nie altert, wenn sie gut gemacht ist. Dem Kan­ton Gla­rus jeden­falls ver­leiht sie Iden­ti­tät und posi­tio­niert die Mar­ke sehr klar. Dass auch noch der Fri­do­lin mit aufs Logo darf, ist okay, denn dem Glar­ner Kan­tons­wap­pen haf­tet eine Beson­der­heit an: Es ist das ein­zi­ge Schwei­zer Kan­tons­wap­pen, das einen Men­schen zeigt. Neben­bei hat der Cor­po­ra­te-Iden­ti­ty-Gui­de des Kan­tons noch eine Beson­der­heit anzu­bie­ten: Er regelt klar, wie das soge­nann­te «Glarn­er­tüech­li» – ein qua­dra­ti­sches Tuch aus Stoff – dar­ge­stellt wer­den muss. Man muss das sehen, um das ver­ste­hen zu können.


Grau­bün­den: Oje oje oje. Also: Wir haben hier das Kan­tons­wap­pen von Grau­bün­den. Wir haben die Nen­nung des Kan­tons in drei Spra­chen. Und das gan­ze dann noch in No-Go-Ari­al. Das ist ein­fach nur ein­falls­los und schlecht. Schwer vor­stell­bar, dass dies das Werk von visu­ell kom­pe­ten­ten Men­schen sein soll; es sieht eher aus wie Tech­no­kra­ten-Pfusch. Viel­leicht soll­te man mal bei den Kol­le­gen von Grau­bün­den Tou­ris­mus abschau­en, wie man sich eine wür­di­ge visu­el­le Iden­ti­tät gibt? 


Jura: Es gibt Kan­to­ne, die sich dem Rest der Schweiz immer mal wie­der in Erin­ne­rung rufen müs­sen. Ein Mit­tel dazu: visu­ell prä­gnant auf­tre­ten. Der Kan­ton Jura machts vor. Sein Logo impli­ziert: Hal­lo, wir sind auch wer! Dafür setzt man auf die ganz fet­ten Buch­sta­ben, aber auch auf ein­hei­mi­sches Schrift­schaf­fen: Uni­vers Pro Extra Black 85 ist hier die Ansa­ge, ent­wor­fen vom Ber­ner Typo­gra­fen Adri­an Fru­ti­ger in den 1960er-Jah­ren, der Hoch­zeit des Schwei­zer Schrift­schaf­fens. Dass man hier einen Ber­ner Typo­gra­fen berück­sich­tigt scheint fast etwas iro­nisch, wenn man bedenkt, dass sich der Jura ansons­ten lie­ber vom Kan­ton Bern abkop­pelt. Aber viel­leicht stellt man hier opti­sche Qua­li­tät über geschicht­li­che Ver­flech­tun­gen, und das mit einer gehö­ri­gen Por­ti­on Selbst­be­wusst­sein. Der Jura und Uni­vers – doch, das passt.


Luzern: Die Luzer­ner sind stolz auf ihre schö­ne Haupt­stadt. Das ist – ästhe­tisch gespro­chen – schon mal eine Ver­pflich­tung: Eine Bil­der­buch-Regi­on kann es sich nicht leis­ten, visu­ell nach­läs­sig zu sein. Die­sem Anspruch kommt der Kan­ton Luzern nach. Sein Logo ist von ele­gan­ter Schlicht­heit. Es ist sehr gra­fisch und redu­ziert, das Kan­tons­wap­pen wirkt trotz der Reduk­ti­on noch immer klar les­bar. Und dann die Schrift: Futu­ra! Man muss sie lie­ben. Ein Klas­si­ker im deut­schen Bau­haus-Stil, ent­wi­ckelt 1930, als gera­de der Tou­ris­mus in Luzern auf­blüh­te. Die Futu­ra wirkt sehr klar, pro­mi­nent und doch zurück­hal­tend. Ein­zi­ges Pro­blem von Futu­ra: Frü­her war es die Haus­schrift von Volks­wa­gen, in den 1960er-Jah­ren wur­de sie für die iko­ni­schen VW-Wer­be­an­zei­gen ver­wen­det. Es ist immer schwie­rig, wenn ein Kon­zern eine Schrift für sich gepach­tet hat – sie wird dann für ande­re Unter­neh­men als Dis­play-Schrift fast unbe­nutz­bar. Gott­lob hat VW der Futu­ra längst den Rücken gekehrt. Ein Wort noch zum Cor­po­ra­te-Design-Manu­al des Kan­tons Luzern: Es ist fast wohl­tu­end, wie hier der Kan­ton auf Under­state­ment macht. Es wird ins Logo nicht irgend­wel­ches Bla-Bla rein­pro­je­ziert, son­dern es heisst zu Anfang klipp und klar: «Der Kan­ton Luzern ist kun­den­freund­lich und effi­zi­ent. Das drückt er mit einem moder­nen, schlan­ken Erschei­nungs­bild aus». Danach gehts nur noch um die for­ma­len Fra­gen. Löblich!


Neu­en­burg: Am 30. Mai 2008 ver­schick­te die Kan­tons­kanz­lei Neu­en­burg eine bemer­kens­wert schmuck­lo­se Medi­en­mit­tei­lung (natür­lich mit Lauf­schrift Ari­al, was ja schon mal ein böses Omen war) und ver­kün­de­te: «Der Kan­ton Neu­en­burg hat eine neue visu­el­le Iden­ti­tät». Nach­fol­gend hiess es, dass das neue Logo «den Akzent auf neue Tech­no­lo­gien legt». Was man dann zu sehen bekam war ein opti­sches Desas­ter. Zuerst ein­mal sind Logos mit «xyz.ch» sowie­so ver­al­tet. Das klingt so nach «hey, wir machen jetzt auch was mit Inter­net». Aber eine Kan­tons­ver­wal­tung ist nun mal kein Inter­net-Start­up. Dann ist das Logo for­mal schwach: Das schräg gestell­te Kan­tons­wap­pen neben der gera­den Schrift wirkt unsym­me­trisch. Das «ne.ch» hat zuviel Abstand zwi­schen den Buch­sta­ben. Wenn man die Buch­sta­ben näher betrach­tet, wir­ken sie unför­mig, als ob hier an der Schrift her­um­ge­schnip­selt wor­den ist. Die Schrift ist nicht klar iden­ti­fi­zier­bar; es scheint eine Mischung zwi­schen Hel­ve­ti­ca und Ari­al zu sein, die man irgend­wie fri­siert hat. Es herrscht ein Wirr-Warr auf wenig Raum, alles wirkt belie­big, nichts passt zusam­men. Defi­ni­tiv ein Anwär­ter für die Kate­go­rie «Schlech­tes­tes Kan­tons­lo­go der Schweiz». Wobei das Cor­po­ra­te-Design im Kan­ton Neu­en­burg gene­rell eher eine unbe­deu­ten­de Rol­le spielt. Als der Regie­rungs­rat kürz­lich sei­ne Legis­la­tur­zie­le prä­sen­tier­te, tat er dies mit einer Power-Point-Prä­sen­ta­ti­on, die alles beinhal­te­te, was man optisch in einer Power-Point-Prä­sen­ta­ti­on unter­las­sen soll­te. Voilà!


Nid­wal­den: Kan­tons­wap­pen neh­men, Kan­tons­na­me drun­ter, fer­tig: Das hat­ten wir ja schon mal mit den Bünd­nern. Wenn man es aber schon so machen möch­te, dann zei­gen die Nid­wald­ner, das dies optisch auch gefäl­lig geht; man hat hier wenigs­tes noch ein biss­chen mehr Denk­ar­beit rein­ge­steckt als in Grau­bün­den, etwa, indem das Wap­pen leicht sti­li­siert wur­de. Schrift­mäs­sig hat man sich für die Gill Sans ent­schie­den, und das ist  halt wie­der so ein Ding: Ver­kehrt macht man damit nichts, die Gill Sans hat sich über Jahr­zen­te bewährt und ist grund­so­li­de. Ande­rer­seits zeugt die­se Wahl auch nicht gera­de von viel Phan­ta­sie – ein­mal mehr wird hier auf Bewähr­tes gesetzt, ein biss­chen mehr visu­el­ler Mut wäre ange­zeigt gewe­sen. Der Dop­pel­schlüs­sel übri­gens hat eine inter­es­san­te Ver­gan­gen­heit: Ent­stan­den ist er, weil im Mit­tel­al­ter der Wunsch ent­stand, sich deut­lich vom Nach­barn Obwal­den zu unter­schei­den, und so mach­te man aus dem obwald­ne­ri­schen Ein­zel- den nid­wald­ne­ri­schen Dop­pel­schlüs­sel. Oder mit ande­ren Wor­ten: Schon im 15. Jahr­hun­dert hat man sich mit Fra­gen der visu­el­len Iden­ti­tät aus­ein­an­der­ge­setzt, scham­los kopiert und neu­in­ter­pre­tiert. Immer­hin: Der Dop­pel­schl­lüs­sel erhielt sogar den päpst­li­chen Segen.


Obwal­den: 2009 gab sich der Kan­ton Obwal­den ein neu­es Erschei­nungs­bild. Der dama­li­ge Land­schrei­ber umriss in der «Neu­en Obwald­ner Zei­tung» die Aus­gangs­la­ge so: «Wir woll­ten kein fan­ta­sie­vol­les Logo». Ein inno­va­ti­ves Design-Brie­fing sieht anders aus. Immer­hin hat man sich getraut, nicht die klas­si­sche Wap­pen­form zu ver­wen­den und hat den Schlüs­sel leicht moder­ni­siert. Für den Schrift­zug hat man dann Fru­ti­ger genom­men, einen Schwei­zer Klas­si­ker. Um Kos­ten zu spa­ren, sind die Obwald­ner sehr trick­reich vor­ge­gan­gen: Man hat von der Anmu­tung her das Logo und das CI der Eid­ge­nos­sen­schaft kopiert. Noch­mals Urs Wal­li­mann: «So konn­ten wir uns das Schrei­ben von über hun­dert Sei­ten Cor­po­ra­te-Design-Vor­schrif­ten spa­ren». Damit muss­te man ledig­lich 10’000 Fran­ken in die Hand neh­men – Prag­ma­tis­mus nach Obwal­nder Art. Immer­hin reich­te dies, damit es das neue Obwald­ner Logo sogar auf irgend­wel­che deut­schen Design-Blogs geschafft hat.


St. Gal­len: Das St. Gal­ler Logo hat es bis in den «Blick» gebracht. Der Grund: Im Logo fehlt zwi­schen «St.» und «Gal­len» ein Leer­schlag. Das ist nicht etwa ein Ver­se­hen, son­dern wird im Design-Manu­al glas­klar so fest­ge­hal­ten. Unter «Regel­fall» steht da: «Kein Leer­schlag zwi­schen «St.» und «Gal­len». Ist das jetzt ein­fach ein Gestal­tungs­furz? Die Staats­kanz­lei begrün­de­te die Weg­las­sung damit, dass man «St. Gal­len» schon seit Jah­ren ohne Leer­schlag schrei­be, da dies ästhe­ti­scher sei. Ein schö­nes Bei­spiel dafür, dass kleins­te  ästhe­ti­sche Ent­schei­dun­gen eine inter­es­san­te Kon­tro­ver­se aus­lö­sen kön­nen. Ansons­ten bleibt zu sagen, dass das Logo zwar funk­tio­nal, aber auch nicht wahn­sin­nig krea­tiv ist: Eine fet­te Hel­ve­ti­ca, dazu das Kan­tons­wap­pen, fer­tig. Da ist der weg­ge­las­se­ne Leer­schlag noch das Originellste.


Schaff­hau­sen: Beim ers­ten Blick auf das Schaff­hau­ser Logo bleibt Rat­lo­sig­keit zurück. Ist das schon alles? Gelb, Schwarz, der Bock, die Inter­net­adres­se in Hel­ve­ti­ca? Uff. Im Wett­be­werb «Schlech­tes­tes Kan­tons­lo­go der Schweiz» wür­de sich Schaff­hau­sen wohl gemein­sam mit Neu­en­burg um den ers­ten Platz strei­ten. Okay, das Logo ist schon etwas ange­jahrt, es wur­de 2002 ein­ge­führt. Damals war ja das Inter­net noch irgend­wie neu und man woll­te zei­gen, dass man dem Moder­nen nicht abge­neigt ist. Heu­te wirkt das nur noch lächer­lich. Für die damals 50’000 inves­tier­ten Fran­ken wäre auch etwas span­nen­de­res drin­ge­le­gen. Das Logo hat dem Zahn der Zeit nicht stand­ge­hal­ten. Nach fünf­zehn Jah­ren dürf­te man etwas Neu­es wagen. Wenn man so ein Logo hat, kanns nur noch bes­ser wer­den. Viel Glück!


Schwyz: Im Kan­ton Schwyz wird die Demo­kra­tie sehr sehr ernst genom­men. Und so kommt es, dass dem Schwy­zer Kan­tons­wap­pen eine beson­de­re Ehre zuteil wird: Es ist das ein­zi­ge Kan­tons-Logo, das einer Volks­ab­stim­mung unter­zo­gen wer­den muss­te. Als sich Schwyz näm­lich im Jah­re 1995 dar­an mach­te, sei­nen visu­el­len Auf­tritt zu über­den­ken, for­mier­te sich das «Komi­tee Logos­top». Die­ses woll­te sich gegen die Ver­schan­de­lung des bis­he­ri­gen Schwy­zer Kan­tons­wap­pens weh­ren. Offen­bar waren die Ver­tre­ter des Komi­tees aber eher vom Bewah­rer­tum denn vom visu­el­len Sach­ver­stand gelei­tet. Der Kan­ton Schwyz ging die Erar­bei­tung sei­ner neu­en visu­el­len Iden­ti­tät näm­lich sehr vor­bild­lich, koor­di­niert und seri­ös an. Enstan­den ist ein Logo, dass auch nach 20 Jah­ren zeit­los wirkt. Die Schrift, «Trade Gothic», ist eine über­ra­schen­de und unge­wohn­te Wahl; das sti­li­sier­te Logo zeigt neben dem Schwy­zer Wap­pen auch noch das Schwei­zer­kreuz. Mehr Schwyz bzw. Schweiz in einem Logo geht nicht. Immer­hin sah das auch das Schwy­zer Stimm­volk so – und erteil­te der Logos­top-Ini­ta­ti­ve mit 57 Pro­zent Nein-Anteil eine deut­li­che Abfuhr.


Solo­thurn: Das Solo­thur­ner Logo hat irgend­wie den Charme einer aus­ge­beul­ten Jeans: Alles fällt aus­ein­an­der. Man will zuviel und erreicht zuwe­nig. Da wäre zuerst ein­mal das sti­li­sier­te Kan­tons­wap­pen, was ja noch ganz okay ist. Dann haben wir das Wort «Kan­ton» ver­sal gesetzt; es folgt das gefet­te­te «Solo­thurn» in Klein­schrift. Und das Gan­ze stellt man auch noch kur­siv. Wenn man ver­schie­de­ne Schrift­schnit­te durch­ein­an­der­mixt, ist das sel­ten über­zeu­gend. Wei­ter gibt es hier ein Pro­blem mit den Abstän­den zwi­schen den Buch­sta­ben; sie sind nicht aus­ge­wo­gen, was dann dazu führt, dass das Logo irgend­wie aus der Form gefal­len ist. Da hilfts auch wenig, dass man auf den Klas­si­ker «Fru­ti­ger» als Schrift­art setzt.


Thur­gau: In Sachen Schrift­wahl ist dem Kan­ton Thur­gau ein klei­nes Glanz­stück gelun­gen. Schaut man sich das Logo an, denkt man: «Aha, Hel­ve­ti­ca»; und, wir hat­ten das schon zur Genü­ge, das wäre dann soli­de aber ein­falls­los gewe­sen. Doch so schnell täuscht man sich: Thur­gau ver­wen­det näm­lich nicht die Hel­ve­ti­ca, son­dern die Bert­hold Akzi­denz Gro­tesk. Und, jetzt kommts: Das ist exakt die­je­ni­ge Schrift, von der sich die Hel­ve­ti­ca-Macher inspie­re­ren lies­sen, bevor sie ihren Welt­erfolg lan­cier­ten. Was wie­der­mal beweist: Auch bei Welt­erfol­gen ist vie­les nur abge­guckt. Im Fal­le des Thur­gaus aber führt es dazu, dass man schrift­mäs­sig Eigen­stän­dig­keit beweist. Die sti­li­ser­ten Löwen pas­sen gut dazu. Nahe­lie­gen­der wäre zwar irgend­was mit einem Apfel gewe­sen; doch das über­lässt man lie­ber dem Stand­ort-Mar­ke­ting. Und wenn man deren Logo anschaut, ist man ganz froh, dass es die Kan­tons­ver­wal­tung eher klas­sisch angeht.


Tes­sin: Der Kan­ton Tes­sin hat im inner­schwei­ze­ri­schen Kan­tons­wett­be­werb einen ent­schei­den­den Vor­teil: Wenn man nur schon an den Begriff «Tes­sin» denkt, ent­ste­hen posi­ti­ve Bil­der im Kopf; Grot­tos, Son­nen­stu­be, Mer­lot, Ita­lia­nata.  Das ist mar­ke­ting­tech­nisch unbe­zahl­bar, für das Logo-Design der Kan­tons­ver­wal­tung aber auch eine Her­aus­for­de­rung – wie trans­por­tiert man das Wesen das Kan­tons prä­gnant? Das Tes­sin ope­riert mit dem Kan­tons­kür­zel und benutzt dafür die Schrift­art Gill Sans, was hier ein Glücks­fall ist. Die Gill Sans hat ein paar sehr mar­ki­ge Buch­sta­ben, zum Bei­spiel das «t» mit dem schar­fen Schräg­bal­ken und das «i» mit sei­nem kuge­li­gen i‑Pünktchen. In Kom­bi­na­ti­on zum «ti» gelingt so ein ker­ni­ger und stim­mi­ger Auf­tritt. Dazu das sowie­so in sym­pa­thi­schen Far­ben gehal­te­ne Kan­tons­lo­go – und man kann gar nicht mehr anders, als sich in Gedan­ken schon durch den Gott­hard zu begeben.


Uri: Uri hat den kür­zes­ten Kan­tons­na­men der Schweiz. Damit kann man typo­gra­fisch etwas inter­es­san­tes machen – und die Urner las­sen sich die­se Chan­ce nicht ent­ge­hen. Man benutzt dar­um die Schrift ITC Avant Gar­de Gothic Medi­um. Ent­wi­ckelt wur­de sie in den 1960-er Jah­ren – was man ihr aber kaum ansieht, sie wirkt auch heu­te noch sehr modern. Es ist eine Schrift mit klar geschnit­te­nen Buch­sta­ben und für ein Kurz­wort wie «Uri» die per­fek­te Wahl. Dass man noch den Uris­tier neben das Logo stellt, kann man aus lokal­pa­trio­ti­schen Grün­den zwar nach­voll­zie­hen. Nötig ist das Wap­pen aber nicht – denn der Schrift­zug hat für sich allei­ne genug Kraft, um Uri zu repräsentieren.


Waadt: Im Waadt­land ver­lässt man sich auf nor­mier­tes deut­sches Schrift­schaf­fen. Die Din Next Roun­ded hat ihre Wur­zeln im «Deut­schen Insti­tut für Nor­mung», was ja für sich schon Soli­di­tät ver­spricht. In ihrer gerun­de­ten Form strahlt die­se Schrift Sym­pa­thie aus – ein Zei­chen, dass man sich in der Waadt nicht nur als nüch­ter­ne Kan­tons­be­hör­de sehen möch­te. Ob es jetzt wirk­lich nötig ist, das gan­ze Logo in die Ver­ti­ka­le zu set­zen, steht auf einem ande­ren Blatt – einen Vor­teil für den Leser bie­tet das nicht, und ein Aus­bund an Krea­ti­vi­tät ist es eben­falls nicht. Und auch wenn Grün für die Kan­tons­far­be steht, ist es hier etwas zuviel des Guten. So lässt einen das Waadt-Logo mit gemisch­ten Gefüh­len zurück – gute Schrift­wahl, aber ansons­ten hat man nicht wahn­sin­nig viel dar­aus gemacht.


Wal­lis: Es ist schon span­nend, wie gewis­se Schrif­ten im rich­ti­gen Kon­text toll wir­ken kön­nen – oder total abfal­len. Im Wal­lis setzt man auf die Schrift Futu­ra Con­den­sed. Futu­ra ist ja auch im Kan­ton Luzern im Ein­satz – und funk­tio­niert dort ein­wand­frei. Im Wal­lis hin­ge­gen wirkt der Ein­satz von Futu­ra unmo­ti­viert. Wenn man zwar das Logo iso­liert betrach­tet, hat es was gefäl­li­ges, aber eher wegen dem sti­li­sier­ten Kan­tons­wap­pen. Der Grund, dass das Logo dem Kan­ton trotz­dem nur man­geln­de Iden­ti­tät ver­passt, liegt im all­täg­li­chen Ein­satz. Auf der Home­page sieht man vom Logo nicht viel – da ist nur noch das sti­li­sier­te Wap­pen da, und der Schrift­zug «Kan­ton Wal­lis» ist in einer Sys­tem­schrift gesetzt. Und wenn das Wal­lis Pres­se­mit­tei­lun­gen ver­schickt, ist dort das Logo immer unscharf drauf. Der Umgang mit dem Logo ist inkon­se­quent und zeigt: Nur ein net­tes Logo zu haben nützt noch gar nichts.


Zug: Zum letz­ten mal lässt sich in die­sem Bei­trag bewei­sen, dass die klei­nen Kan­to­ne bezüg­lich gra­fi­scher Spra­che Stre­ber sind. In sei­nem CI-Manu­al sagt der Kan­ton Zug, was Sache ist: «Mehr als ein Logo: das Sys­tem zu einer visu­el­len Iden­ti­tät» steht da. Im Gegen­satz zum Wal­lis hat man also ver­stan­den, dass der visu­el­le Auf­tritt nach Aus­sen nicht nur mit dem Logo erle­digt ist. Das Logo selbst ist klar und redu­ziert; dass Zug den Ruf einer effi­zi­en­ten Ver­wal­tung geniesst, schlägt sich  im Design nie­der. Als Schrift kommt hier die «Cor­po­ra­te S» zum Ein­satz, mit dem ein ande­rer Klein­kan­ton – Gla­rus – ja eben­falls gute Erfah­run­gen gemacht hat. Das sti­li­sier­te Kan­tons­wap­pen ist strin­gent. Da man sich mit der Cor­po­ra­te S für eine seriö­se, unauf­ge­reg­te Schrift ent­schie­den hat, ist es aus­ser­dem gut und nötig, dass das mit dem Wap­pen noch ein gra­fi­sches Ele­ment vor­han­den ist.


Zürich: So für sich betrach­tet wirkt das Zür­cher Kan­tons­lo­go nicht all­zu auf­re­gend. Der Züri­leu – sehr gra­fisch, ganz okay. Das Züri­wap­pen: bewährt und bekannt. Der Schrift­zug: Hel­ve­ti­ca Black – nicht falsch, aber auch nicht inno­va­tiv. Aber jetzt kommts: So, wie die­se drei Ele­men­te in Zürich ein­ge­setzt wer­den, ent­fal­ten sie eine ganz eige­ne Wir­kung. Im Brief­ver­kehr zum Bei­spiel prangt links oben der Züri­leu, wäh­rend Wap­pen und Schrift­zug auf die rech­te Sei­te des Brief­kopfs gelan­gen. Wenn man das sieht, stellt man fest, dass hier sehr sou­ve­rän mit die­sen Ele­men­ten umge­gan­gen wird. Trotz­dem ist es etwas bedau­er­lich, dass Zürich als gröss­te Stadt des Lan­des – und dem­zu­fol­ge auch als Design-Hot-Spot – nicht etwas inno­va­ti­ve­res zustan­de bringt. Wenigs­tens aber steht hin­ter dem Umgang mit den eher tra­di­tio­nel­len Ele­men­ten eine bewuss­te Hal­tung. Abge­se­hen davon kann man dem Kan­ton Zürich eine ande­re Aus­zeich­nung ver­lei­hen: Die­je­ni­ge für das optisch auf­re­gends­te Cor­po­ra­te-Design-Manu­al einer Kan­tons­ver­wal­tung. Es lohnt sich, dar­auf einen Blick zu werfen.


 


Print: Tot, aber munter


Jähr­lich im Mai ver­sam­melt sich die euro­päi­sche Medi­en­welt am Euro­pean News­pa­per Con­gress (ENC) in Wien – und debat­tiert im ehr­wür­di­gen Rat­haus-Saal über erfolg­rei­che Stra­te­gien für Medi­en­häu­ser. «Print ist tot», sag­ten da die Jung­spun­de. «Print lebt», bewie­sen zahl­rei­che Refe­ren­ten. Nun denn: Wer nicht am Kon­gress dabei sein konn­te oder ihn noch­mals Revue pas­sie­ren las­sen will – hier ist ein Rück­blick in mun­te­ren Zita­ten. Und wer sich lie­ber die Vor­trä­ge in vol­ler Län­ge geben will, kann dies auf der You­tube-Sei­te des ENC tun.

Krea­ti­vi­tät braucht Atmo­sphä­re. Du kannst Krea­ti­vi­tät nicht in vor­ge­schrie­be­ne Work­flows gies­sen. Krea­ti­vi­tät hat was mit Men­schen zu tun, mit Geist. Und es hat ganz viel mit Ver­trau­en in Men­schen zu tun.

Julia Jäkel, CEO von Gruner+Jahr, glaubt an die Macht der Krea­ti­vi­tät und setzt bei neu­en Pro­jek­ten auf Hemdsärmligkeit.

Wir haben die Mar­ke­ting-Onkels nicht mehr, dafür haben wir mehr Redakteure.

Ger­rit Klein, CEO des Ebner-Fach­ver­la­ges, fin­det, dass der Redak­tor das bes­te Mar­ke­ting-Tool für das Pro­mo­ten sei­ner Sto­ries ist.

War­um müs­sen Kios­ke immer so lang­wei­lig sein? Das kann man doch schö­ner machen.

Tyler Brûlé, Ver­le­ger, ver­steht nicht, war­um Kios­ke immer so unse­xy sind.

Es ist sehr schwie­rig, digi­tal begehr­lich zu glän­zen, das geht mit einem gedruck­ten Hoch­glanz-Maga­zin bes­ser. Hoch­glanz und opti­scher Luxus ist immer noch ein Pri­vi­leg von Print. Aber hoch­glän­zi­ges Papier reicht nicht, es braucht mehr.

Tho­mas Lind­ner, Vor­sit­zen­der der Geschäfts­füh­rung der Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Zei­tung, hat Print noch nicht ganz auf­ge­ge­ben. Mit dem Hoch­glanz-Maga­zin Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Quar­ter­ly (FAQ) ver­dient man zwar kein Geld, aber man tut es aus Freu­de an der Sache.

Wir müs­sen vor lau­ter Face­book und Snap­chat schau­en, dass auf Redak­tio­nen noch dis­ku­tiert und debat­tiert wird.

Chris­ti­an Lind­ner, Jour­na­list, wünscht sich auf Redak­tio­nen wie­der mehr Gesprä­che statt Scrol­len und Swipen.

Frau­en haben eine 16 Pro­zent höhe­re Boun­ce-Rate als Män­ner. Frau­en lie­fern vier Pro­zent weni­ger Page Impres­si­ons als Män­ner. Und Frau­en haben eine kür­ze­re Ver­weil­dau­er pro Besuch als Männer.

Peter Wäl­ty von 20 Minu­ten weiss ALLES über sei­ne Online-Kund­schaft – Daten sei dank.

Die Guten­berg-Pra­xis ver­glüht, wir befin­den uns im Age of Screens.

Mar­tin Zim­per von der Zür­cher Hoch­schu­le der Küns­te wünscht sich von den Redak­tio­nen mehr gut gemach­te Videobeiträge.

Als wir zum ers­ten Mal kon­struk­ti­ven Jour­na­lis­mus mach­ten, hat das nicht funk­tio­niert, weil wir ein schlech­tes Logo hatten.

Oli­ver Rein­hard, Säch­si­sche Zei­tung, hat ein­ge­se­hen, dass schlech­tes Logo-Design die Rele­vanz des Inhalts schmä­lern kann.

Frü­her haben wir unse­re Geschich­ten den Jour­na­lis­ten ange­bo­ten, mit unge­wis­sem Aus­gang. Heu­te machen wir sie sel­ber. Und wir bie­ten sie online ohne Pay­wall an.

Patrick Kam­me­rer, Direc­tor Public Affairs and Com­mu­ni­ca­ti­ons von Coca Cola, mag nicht mehr die Jour­na­lis­ten beknien. Und dass Coca Cola kei­ne Pay­wall hoch­fährt, ist doch äus­serst grosszügig.

Jeder möch­te mal Trump sein und auf nichts Rück­sicht neh­men müs­sen. Die­sen gehei­men Wunsch hegt jeder in sich.

Johan Vet­ter, Lei­ter Cor­po­ra­te Com­mu­ni­ca­ti­ons des Mine­ral­öl­kon­zerns OMV, schaut tief in die Psy­che des Publikums.

Inves­to­ren lie­ben Geschich­ten, fast noch mehr als Business-Pläne.

Con­stan­tin Seibt von «Die Repu­blik» über die Moti­va­ti­on von Inves­to­ren, die bereit sind, Geld für Online-Jour­na­lis­mus locker zu machen.

An der einen oder ande­ren Stel­le stän­de uns mehr Deu­tungs­de­mut gut zu Gesicht.

Gio­van­ni die Loren­zo, Chef­re­dak­tor Die Zeit, wünscht sich wie­der mehr Nach­den­ken und weni­ger Raus­hau­en von den Journalisten.

Foto­re­por­ta­gen gehö­ren zum selbst­ver­ständ­li­chen Auf­tritt einer Zei­tung. Das ist ein gros­ses Gebiet, wo man noch mehr machen könnte.

Nor­bert Küp­per, Ver­an­stal­ter des Euro­pean News­pa­per Awards, gibt den Jour­na­lis­ten einen Hin­weis, wo visu­ell noch viel Poten­zi­al brach liegt.

Unser Art Direc­tor Peter Breul hat etwas, das vie­len Art Direc­tors fehlt: Ers­tens liest er jeden Arti­kel in der Zei­tung. Und zwei­tens beweist er in der Umset­zung von Inhal­ten visu­el­le Intelligenz.

Jür­gen Kau­be, Her­aus­ge­ber der Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Zei­tung, lobt sei­nen Gestal­tungs­chef für die Sonn­tags­zei­tung in den höchs­ten Tönen.

The­re is only one les­son to remem­ber: The­re is no truth. Always be rea­dy to change.

Susan­na Ilmo­ni, Chef­re­dak­to­rin der Lokal­zei­tung «Huf­vud­sta­ds­bla­det» in Finn­land, hat mit ihrer Zei­tung sowohl im Print als auch online viel aus­pro­biert. Und ist fest ent­schlos­sen, das auch wei­ter­hin zu tun. Mit die­ser Ein­stel­lung ist das Blatt immer­hin Lokal­zei­tung des Jah­res geworden.

Wir haben den Dress­code bei Daim­ler nicht geän­dert, nur weil wir jetzt einen Blog­ger ange­stellt haben. Der Dress­code wur­de schon vor­her gelockert.

Jörg Howe, Lei­ter Glo­ba­le Kom­mu­ni­ka­ti­on bei Daim­ler, erklärt, dass es für sei­ne Fir­ma ein Kul­tur­wech­sel ist, wenn man einen Blog­ger ein­setzt. Der inter­ne Ein­fluss des Blog­gers scheint aber Gren­zen zu haben.

Unse­re Zei­tung liebt die Frau­en. Und die Frau­en lie­ben unse­re Zeitung.

Chris­ti­an Jen­sen, Chef­re­dak­teur der däni­schen Zei­tung Poli­ti­ken, über eines der vie­len Erfolgs­re­zep­te sei­nes Medi­ums. Kein Wun­der, wur­de der Titel zur «Euro­päi­schen Zei­tung des Jah­res» gewählt.

Print stirbt.

Lina Timm vom Start-up Media Lab Bay­ern gehört zu den «Young Pro­fes­sio­nals» und kann dem Papier nicht mehr all­zu­viel abgewinnen.

Zei­tun­gen soll­ten nicht wie Web­sei­ten aus­se­hen. Und sie soll­ten visu­ell einen soli­den Auf­tritt haben.

Ronald Ock­huy­sen, Chef­re­dak­tor der nie­der­län­di­schen «Het Parool», hat den Titel «Euro­päi­sche Regio­nal­zei­tung des Jah­res» ergat­tert. Und er hat eine kla­re Mei­nung dazu, wer im News­room den Ton angibt: Die Kreativabteilung.

Wir haben es ein­fa­cher als vie­le Ande­re, weil wir kei­ne Print­mar­ke ins Hier und Jetzt über­set­zen und neu erfin­den müssen.

Nora Beckers­haus vom Online-Maga­zin Refinery29 ist New­co­me­rin des Jah­res. Und ganz froh, dass sie sich nur auf den Online-Kanal kon­zen­trie­ren muss.

In Rumä­ni­en gibt es ein Sprich­wort: Die Pes­si­mis­ten sagen, es kann nicht schlim­mer kom­men. Und die Opti­mis­ten sagen doch, es kann. 

Der Chef­re­dak­tor der rumä­ni­schen Wirt­schafts-Zeit­schrift Eco­no­mis­tul glaubt trotz­dem, dass Print über­le­ben wird.



Der visu­el­le Nie­der­gang der Bas­ler Zeitung

Hat optisch schon bes­se­re Tage gese­hen: Die Bas­ler Zei­tung. Bild: happysvendesign.ch

Die Mel­dung ist vor ein paar Wochen raus: Die Bas­ler Zei­tung (BaZ) lagert ihre Lay­out-Abtei­lung aus – ins 200 Kilo­me­ter ent­fern­te Chur, zu der Süd­ost­schweiz-Medi­en­grup­pe. Der­weil man sich hin­ter den Kulis­sen noch strei­tet, ob es sich hier um eine Mas­sen­ent­las­sung han­delt oder nicht, darf man gleich­zei­tig fest­stel­len, dass der Schritt nur kon­se­quent ist: Gestal­tungs­fra­gen spie­len näm­lich bei der BaZ seit ein paar Jah­ren sowie­so nur noch eine unter­ge­ord­ne­te Rolle.

Doch dre­hen wir zuerst das Rad der Zeit etwas zurück. Es gab gestal­te­risch glor­rei­che Zei­ten bei der Bas­ler Zei­tung: Im Jahr 2008 wur­de sie dafür sogar euro­pä­isch preis­ge­krönt und erhielt den Titel «Best Desi­gned Regio­nal News­pa­per of Euro­pe». Die Jury kam damals zu fol­gen­dem Urteil:

Der Ein­satz der Schrift «Hel­ve­ti­ca» und die Haus­far­be Rot geben der Bas­ler Zei­tung ihr cha­rak­te­ris­ti­sches Schwei­zer Aus­se­hen. Jury-Mit­glie­der aus Skan­di­na­vi­en, den Nie­der­lan­den und Spa­ni­en schät­zen die Zei­tung für ihre kla­re und prä­gnan­te Prä­sen­ta­ti­on. Die Bas­ler Zei­tung hat in den letz­ten Jah­ren eini­ge Ver­än­de­run­gen durch­ge­macht, blieb dabei aber immer ihrem sau­be­ren und kla­ren Lay­out ver­pflich­tet. Die Zei­tung spielt mit vier ver­schie­de­nen Far­ben, die aber nur auf den Bund­auf­tak­ten ver­wen­det wer­den. Das kla­re Lay­out posi­tio­niert die Zei­tung als eine ruhi­ge Insel in einem unru­hi­gen Zeitungsmarkt.

Die Bas­ler Zei­tung war also ein­mal so etwas wie der gestal­te­ri­sche Leucht­turm der Regio­nal­zei­tun­gen in der Schweiz. Zu einer Zeit, als bei vie­len Regio­nal­zei­tun­gen Gestal­tungs­fra­gen nur eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le spiel­ten, setz­te die BaZ die Lat­te gekonnt hoch und zeig­te auf, dass mit gutem Wil­len und Sach­ver­stand auch eine Regio­nal­zei­tung optisch anstän­dig daher kom­men kann. Typo­gra­fisch gelang der Zei­tung ein klei­ner Coup: Der Ein­satz von Hel­ve­ti­ca als Titel­schrift sorg­te für einen schnör­kel­lo­sen opti­schen Auf­tritt des Titels. Die Hel­ve­ti­ca ist eine Schrift, die es zu Welt­ruhm gebracht hat­te; ent­wi­ckelt wur­de sie von Max Mie­din­ger und Edu­ard Hoff­mann in Mün­chen­stein bei Basel. Hier wur­de also ein­hei­mi­sches Schrift­schaf­fen in beson­de­rem Mas­se gewürdigt.

Von die­sem Glanz konn­te die Bas­ler Zei­tung gera­de ein­mal zwei Jah­re zeh­ren. 2010 wur­de sie ver­kauft – und erleb­te seit­her inhalt­lich einen deut­li­chen Rechts­rutsch. Mit Mar­kus Somm hielt ein Chef­re­dak­tor Ein­zug, der schon bald nach dem Antritt eine Lay­out-Reon­vie­rung durch­setz­te und die­se so verkündete:

Pünkt­lich zum 1. Dezem­ber hin wur­de das Lay­out der Bas­ler Zei­tung auf­ge­frischt. Die bis­he­ri­ge Bunt­heit wur­de durch ein klas­si­sche­res Bild ersetzt.

Wer am 1. Dezem­ber die Bas­ler Zei­tung anschau­te, dem schwan­te nichts gutes: Da wur­de auf­ge­räumt. Ele­men­te, wel­che der Zei­tung ihr preis­ge­krön­tes Aus­se­hen ver­lie­hen, wur­den radi­kal ent­fernt. Wäh­rend man dem Publi­kum erklär­te, dass man mit dem Schritt mehr Tief­gang errei­chen und lan­ge und sehr lan­ge Tex­te ins Blatt rücken wol­le, war für Gestal­ter klar: Ab jetzt regiert nur noch das Wort, die Optik ist zweit­ran­gig gewor­den. Wie das in der Zei­tung aus­sieht, davon konn­te man sich schon bald über­zeu­gen. Es gab Zei­tungs­sei­ten, die voll waren mit Text – und das ein­zi­ge Bild auf der Sei­te war ein halb­sei­ti­ges Por­trät-Bild des Chef­re­dak­tors. Mit moder­nen Ansät­zen im Zei­tungs­de­sign hat­te das nicht mehr viel zu tun.

Wenn man in die­ser Zeit Mit­ar­bei­ter der Gestal­tungs­ab­tei­lung traf, so war dies sehr bemer­kens­wert. Es herrsch­te nack­te Panik! Man gab den Gestal­tern zu ver­ste­hen, dass ihre Rol­le künf­tig nur noch Hand­lang­er­sta­tus hat. Die Exper­ti­se des Fach­per­so­nals war intern nicht mehr gefragt. Wäh­rend eine gute Zei­tung davon lebt, dass Gestal­tungs­ab­tei­lung und Redak­ti­on Hand in Hand arbei­ten, wur­de die­ses Prin­zip bei der BaZ ab sofort abge­schafft. Die Abtei­lung wur­de gar ange­wie­sen, die grös­se­ren Schwei­zer Zei­tun­gen abzu­te­le­fo­nie­ren und nach­zu­fra­gen, wie man dort in Sachen Lay­out orga­ni­siert sei; man suche bei der BaZ nach effi­zi­en­te­ren Wegen für die Erstel­lung der Lay­outs. Tele­fo­na­te, die für die­se Fach­leu­te sehr ent­wür­di­gend gewe­sen sein müssen.

Schaut man die BaZ heu­te an, so ist sie weit ent­fernt von einem stil­prä­gen­den Medi­um. Nach wie vor regie­ren Text­wüs­ten. Die Titel­hier­ar­chie ist durch­ein­an­der gera­ten. Es gibt Sei­ten, die in der Zusam­men­set­zung des Lay­outs belie­big wir­ken. Bild­schwer­punk­te sucht man oft ver­ge­bens, eine ein­heit­li­che Bild­spra­che scheint es nicht mehr zu geben. Der Typo­gra­fie wird nicht mehr all­zu­viel Sor­ge getra­gen. Die Zei­tung wirkt wie ein Relikt: Man sieht, dass die BaZ visu­ell ein­mal gros­se Zei­ten hat­te, aber inzwi­schen sind davon nur noch Frag­men­te übrig­ge­blie­ben. Lese­freund­lich­keit sieht anders aus.

Dabei kann man nicht ein­mal den ver­blie­be­nen Mit­ar­bei­tern in der Gestal­tung einen Vor­wurf machen. Sie wol­len es eigent­lich gut machen, wer­den aber intern oft igno­riert; kein Wun­der, wenn sich da irgend­wann Resi­gna­ti­on breit macht. Erst recht, wenn jetzt ein Kahl­schlag umge­setzt wird. So wie es aus­sieht wird in Basel nur noch ein Rumpf­team ver­blei­ben und der Rest dann bei der Süd­ost­schweiz in Chur erle­digt. Es ist auch nicht gera­de ein Trost, wenn betrof­fe­nen Mit­ar­bei­tern allen­falls ein Ersatz­job in Chur ange­bo­ten wird, wie die BaZ ver­lau­ten liess. Wer will schon täg­lich 400 Kilo­me­ter pendeln.

Eine Zei­tung ist dann am bes­ten gemacht, wenn mög­lichst viel in der Redak­ti­on vor Ort rea­li­siert wer­den kann. Erfah­rungs­ge­mäss hat das Out­sour­cing im Lay­out­be­reich noch sel­ten dazu geführt, dass ein Titel dann bes­ser aus­s­sieht. Ich möch­te mir gar nicht vor­stel­len, wie­vie­le Tele­fo­na­te und E‑Mails da in der Tages­pro­duk­ti­on hin- und her­ge­scho­ben wer­den müs­sen; ob das dann effi­zi­en­ter ist, steht auf einem ande­ren Blatt. Aber um opti­sche Bril­lanz geht es bei die­sem Pro­jekt ja längst nicht mehr, son­dern um das lieb­lo­se und ratio­nel­le Abwi­ckeln eines pro­duk­tio­nel­len Vor­gangs. Auf der Stre­cke blei­ben die Lei­den­schaft und die Krea­ti­vi­tät. Und – die Zah­len zei­gen es bei der BaZ schon längst – die Leser. Scha­de drum.

 


Kur­li­ge Kunden

Wenn man es mit exter­ner Kund­schaft zu tun hat, wird es manch­mal schwie­rig. So wie die­ses Ping-Pong-Spiel, dass sich kürz­lich irgend­wo in der Schweiz zuge­tra­gen hat. Aus Dis­kre­ti­ons­grün­den wur­den alle Prot­ago­nis­ten anony­mi­siert. Ähn­lich­kei­ten mit real exis­tie­ren­den Per­so­nen sind rein zufäl­lig und nicht beabsichtigt.

Aus­gangs­la­ge: Es geht um die Gestal­tung einer Cover-Sei­te für eine Bei­la­ge. Sämt­li­che Kor­re­spon­denz wur­de per E‑Mail geführt.

Kun­de: Grüezi. Anbei sen­den wir ihnen unser favo­ri­sier­tes Bild für die Titel­sei­te. Bit­te sen­den sie uns das fer­ti­ge Cover umge­hend zur Abnah­me zu.

Gestal­ter: Sehr geehr­ter Kun­de. Lei­der eig­net sich Ihr Bild nicht für die Titel­sei­te. Ers­tens hat es kei­nen Frei­raum, wo wir Titel und Unter­zei­le plat­zie­ren kön­nen. Zwei­tens ist das Bild lei­der sehr nichts­sa­gend und ent­spricht auch nicht unse­rer Bild­spra­che. Ich habe mir dar­um erlaubt, ein geeig­ne­tes Bild zu recher­chie­ren. Den Vor­schlag erhal­ten Sie anbei.

Kun­de: Ihr Vor­schlag ist uns zu düs­ter und zu far­big. Aus­ser­dem passt er aus unse­rer Sicht nicht zum  The­ma der Bei­la­ge. Wir haben uns etwas vor­ge­stellt, das den Inhalt schön wie­der­spie­gelt. Wich­tig ist uns zudem, dass fol­gen­de Aspek­te berück­sich­tigt wer­den: Aspekt A, Aspekt B, Aspekt C und Aspekt D. Wenn Sie also ein Bild hät­ten, dass all die­se Aspek­te ein­löst, wäre das super. Wir haben auch  noch­mals ein paar Bil­der gesucht, die­se fin­den Sie anbei.

Gestal­ter: Lei­der ist es sehr schwie­rig, Bil­der zu fin­den, die alle Ihre gewünsch­ten Aspek­te beinhal­ten. Für ein Titel­bild soll­te man sich auf eine Kern­aus­sa­ge beschrän­ken, damit das Cover gut wirkt. Ich habe noch­mals recher­chiert und sen­de Ihnen drei wei­te­re Vor­schlä­ge, die mei­nes Erach­tens gut auf die The­ma­tik ein­ge­hen. Die von Ihnen gesand­ten Bil­der eig­nen sich lei­der nicht, da es Quer­for­mat-Bil­der sind, wir aber auf dem Cover nur ein Bild im Hoch­for­mat ver­wen­den kön­nen. Aus­ser­dem Feh­len auf Ihren Bil­dern Men­schen; da wir aber auch einen emo­tio­na­len Zugang zum The­ma schaf­fen wol­len, braucht es Men­schen auf dem Titelbild.

Kun­de: Bes­ten Dank für Ihre Vor­schlä­ge. Das stimmt nicht schlecht von der Rich­tung her; aller­dings fehlt uns hier etwas die Far­be. Wir haben dar­um auch noch­mals nach­ge­schaut und sen­den Ihnen wei­te­re Bil­der, die uns sehr gut gefallen.

Gestal­ter: Lei­der feh­len auf Ihren Bil­dern wie­der­um Men­schen. Zudem fehlt auch hier der Frei­ruam für die Titel­zei­le. Ich habe dar­um den Bild­an­teil klei­ner gemacht und den Titel nun aus­ser­halb des Bil­des gesetzt. Dadurch haben wir kein Hoch­for­mat mehr, son­dern ein qua­dra­ti­sches Bild. Ihre Bil­der funk­tio­nie­ren dann lei­der nicht mehr.

Kun­de: Das ist scha­de, dass der Titel nicht mehr im Bild ist. Was hal­ten Sie eigent­lich von die­sen drei neu­en Bil­dern in der Bei­la­ge? Wir haben uns aus­ser­dem intern bespro­chen; es wäre für uns auch okay, wenn das Bild nur den Aspekt A zeigt, auf die übri­gen Aspek­te kann man ver­zich­ten. Viel­leicht könn­ten sie noch­mals dies­be­züg­lich in Ihrer Bild­da­ten­bank nachschauen.

Gestal­ter: Ich habe wie gewünscht ent­spre­chen­de Bil­der gesucht und zudem erneut Vari­an­ten mit Ihren Bil­dern gemacht, die sich aber lei­der wei­ter­hin nicht eige­nen, um die Typo­gra­fie unter­zu­brin­gen. Sie haben inzwi­schen in den letz­ten zwei Tagen 25 Vor­schä­ge von uns erhal­ten und wir wären froh, wenn wir auf die Ziel­li­nie ein­schwen­ken könn­ten. Wir gehen mor­gen Nach­mit­tag in den Druck, müs­sen also das Cover bis am Mit­tag fer­tig haben.

Kun­de: Herz­li­chen Dank für Ihre Rück­mel­dung. Wir möch­ten noch­mals alle Vor­schlä­ge durch­se­hen und mel­den uns mor­gen bis um 9 Uhr bei Ihnen.

Am Fol­ge­tag, um 10 Uhr:

Kun­de: Bit­te ver­zei­hen Sie, dass wir uns erst jetzt mel­den, die Dis­kus­si­on hat län­ger gedau­ert als ange­nom­men. Wir haben uns für Ihren aller­ers­ten Vor­schlag ent­schie­den mit der leicht düs­te­ren Far­be. Könn­ten Sie uns bit­te das fina­le Cover umge­hend zukom­men las­sen, damit wir alles noch­mals einer Schluss­prü­fung unter­zie­hen kön­nen. Herz­li­chen Dank für die unkom­pli­zier­te Zusammenarbeit.

 


Krea­ti­vi­tät ist 20 Stutz wert

Die Front­sei­te der neu­en Schwei­zer 20er-Note, die ab dem 17. Mai in Umlauf kommt.

Jetzt sind sie da: Heu­te wur­de die neue 20er-Note vor­ge­stellt, die von der Schwei­ze­ri­schen Natio­nal­bank ab dem 17. Mai in Umlauf gege­ben wird. Eine Design­kri­tik soll das hier nicht wer­den, getreu dem Mot­to, man soll nur an Din­gen her­um­mä­keln, die man auch sel­ber in Hän­den hal­ten kann. Die Mei­nung des Publi­kums auf den sozia­len Medi­en ist erfah­rungs­ge­mäss geteilt. Das ist aber auch egal; bei einem Mega-Pro­jekt wie Bank­no­ten kann man nicht jeden Ein­woh­ner die­ses Lan­des fra­gen, ob das Design dem indi­vi­du­el­len Geschmack ent­spricht. Aus­ser­dem hat die Desi­gne­rin der Bank­no­ten, die Luzer­ne­rin Manue­la Pfrun­der, jah­re­lang an dem Pro­jekt gear­bei­tet; für die 50er-Note etwa benö­tig­te sie elf Jahre.

Bank­no­ten­de­sign ist folg­lich die Nische der Nische der Nische, wenn man bedenkt, dass so alle 20 Jah­re mal ein Gra­fi­ker in die­sem Land zu so einem Job kommt. Auch an Kom­ple­xi­tät dürf­te der Auf­trag wohl kaum zu über­bie­ten sein, müs­sen doch gestal­te­ri­sche Fra­gen immer wie­der mit Sicher­heits­an­for­de­run­gen in Ein­klang gebracht wer­den. Wie so eine Dis­kus­si­on mit den Auf­trag­gebern abläuft, möch­te ich mir lie­ber nicht vorstellen.

Doch kom­men wir­zu einem ande­ren Aspekt der 20er-Note: Sie ist dem The­ma «Krea­ti­vi­tät» gewid­met, das wie­der­um mit dem «Haupt­ele­ment Licht» illus­triert wer­den soll. Mit ande­ren Wor­ten: Die Krea­tiv­bran­che hat jetzt ein klei­nes Denk­mal in Form einer Bank­no­te bekom­men. Dass man dafür aus­ge­rech­net die 20er-Note und nicht etwa die 1000er-Note genom­men hat, scheint fast etwas iro­nisch zu sein, wenn man weiss, wie unter­be­zahlt vie­le Krea­tiv­schaf­fen­de sind. Hof­fen wir, dass dies bei poten­zi­el­len Auf­trag­ge­bern nicht fal­sche Erwar­tun­gen aus­löst, so nach dem Mot­to «Ich geb dir 20 Stutz und du machst mir ein schö­nes Logo dafür». Da müss­te man dann dem Kun­den klar machen, dass er schon ein gan­zes 20er-Bün­del hin­le­gen muss. Alter­na­tiv wer­den dann auch die 1000er-Noten ger­ne akzep­tiert, auch wenn man der­zeit noch nicht weiss, wel­chem Mot­to die­se gewid­met sein werden.

Abschlies­send noch ein Wort zur ver­wen­de­ten Typo­gra­fie auf den Bank­no­ten: Die­se ent­spricht der Haus­schrift der Schwei­ze­ri­schen Natio­nal­bank – die Bank ver­fügt näm­lich über eine eige­ne Schrift­art, die nir­gends käuf­lich zu erwer­ben ist. Sie trägt den Namen «SNB Alpha­bet» und wur­de vom Schwei­zer Typo­gra­fen Hans Edu­ard Mei­er gestal­tet (eben­falls Erfin­der der Basis­schrift an Schwei­zer Schu­len, was zur Abschaf­fung der Schnür­lischrift führ­te). For­mal han­delt es sich hier um eine adap­tier­te Ver­si­on der «Hel­ve­ti­ca Con­den­sed» – was nichts mehr als recht ist: Wo Schweiz drauf steht, soll auch Schweiz drin sein.

Die Geschich­te der 20er-Note

Ein Klick auf die Bil­der öff­net die Bild­ga­le­rie mit wei­te­ren Infos.

Alle Bil­der: Web­site der Schwei­ze­ri­schen Nationalbank



Ideen-Klau im Glace-Regal

Zwei­mal Vanil­le – ein­mal bei Migros, ein­mal bei Coop.

Ver­pa­ckungs­de­sign – auch so eine net­te Nische. Und zwar eine, in der es pri­mär dar­um geht, das Pro­dukt ver­kaufs­för­dernd ein­zu­pa­cken. Mar­ke­ting-Über­le­gun­gen spie­len hier also oft die grös­se­re Rol­le als die Ästhe­tik. Nur manch­mal, da wird etwas Kult. Zum Bei­spiel die Glace-Ver­pa­ckun­gen der Migros, mit See­hund, Affe und Bär. Geschaf­fen wur­den sie 1975 vom dama­li­gen Migros-Chef­ver­pa­ckungs­de­si­gner Hans Uster, der eige­nen Aus­sa­gen zufol­ge gar nicht all­zu­viel über­legt hat, als er die­se Sujets schuf. Was wie­der mal zeigt, dass gutes Design oft dann ent­steht, wenn man gedank­lich gar nicht all­zu­viel rein­pro­je­ziert, son­dern sich ein­fach lei­ten lässt. Dass die Designs Kult­cha­rak­ter haben, dafür hat auch die Migros ein paar Jah­re gebraucht, um das fest­zu­stel­len – dafür wird dies jetzt umso­mehr aus­ge­schlach­tet; inzwi­schen gibt es auch See­hund-Tas­sen, See­hund-Tel­ler und See­hund-was-weiss-ich-noch alles.

Und inzwi­schen ist auch die Kon­kur­renz auf den Zug auf­ge­sprun­gen. Coop hat sei­ne Glace-Designs über­ar­bei­tet. Man kam auf die ori­gi­nel­le Idee, irgend­was mit Tie­ren zu machen. Doch las­sen wir erst mal die Bil­der spre­chen – links jeweils das Migros-Ori­gi­nal, rechts der neu­es­te Wurf von Coop:

Nun gibt es zwei Mög­lich­kei­ten, wie Coop zu die­sem Design gekom­men ist:

Mög­lich­keit A: Man hat beschlos­sen, die Glace­ver­pa­ckung neu zu über­ar­bei­ten. Damit ist man in die Gra­fik­ab­tei­lung gegan­gen mit der Auf­for­de­rung «macht mal was». Die Gra­fik­ab­tei­lung legt ganz unvor­ein­ge­nom­men los, schnell reift die Idee, Tie­re als Sujets zu ver­wen­den, das kommt ja bei der pri­mä­ren Ziel­grup­pe (Kin­der!) immer gut an. Das Design durch­läuft alle inter­nen Geneh­mi­gungs­stu­fen und geht so raus. Erst, nach­dem es ver­öf­fent­licht ist, stellt man fest, dass gewis­se Ähn­lich­kei­ten zum Migros-Design bestehen – das ist aber nur ein dum­mer Zufall und hat mit dem grund­sätz­li­chen Design-Pro­blem zu tun, dass halt alles irgend­wie schon mal da war.

Mög­lich­keit B: Was bei der Kon­kur­renz gut funk­tio­niert, macht sich auch im eige­nen Regal gut. Das Mar­ke­ting spricht also in der Gra­fik­ab­tei­lung vor mit dem dezen­ten Hin­weis, dass man was ähn­li­ches wie beim Kon­kur­ren­ten machen soll; so ein biss­chen ähn­lich, nicht all­zu­sehr zwar, aber so mit Tie­ren und Krei­sen halt. All­fäl­li­ge kri­ti­sche Rück­fra­gen von der Gra­fik­ab­tei­lung wer­den damit abge­tan, dass es nie falsch ist, wenn man auf bereits bewähr­te Design-Ideen setzt.

Ich habe zwar kei­nen Ein­blick in die Ver­pa­ckungs-Design-Pro­zes­se bei Coop. Trotz­dem spricht wohl mehr für die Mög­lich­keit B, wenn man die Designs genau­er anschaut:

Tie­re: Jedes Kind liebt Tie­re, war­um also nicht beim Glace dar­auf set­zen. Aus einem See­hund mit Flos­sen wird ergo ein Peli­kan mit Flü­geln; aus einem Affen, der den Arm in die Höhe streckt, wird ein Nil­pferd, dass den Arm in die Höhe streckt. Aus dem Raub­tier Bär wird das Raub­tier Löwe.

Krei­se: Die Geschmacks­rich­tung des Glaces steht jeweils in einem Kreis. Immer­hin hat man das bei Coop etwas vari­iert: Bei Migros ist der Kreis klein, bei Coop gross.

Schim­mer rund um das Glace: Bei Migros hat das abge­bil­de­te Glace jeweils als Kon­tur einen weis­sen Schim­mer. Bei Coop auch. Immer­hin hat­te man bei Coop nocht die glat­te Idee, das Glace auf den Kopf zu stel­len. Wie bei der Migros befin­det es sich aber genau auf der Mit­te der Verpackung.

Hin­ter­grund­far­be als Flä­che: Migros machts vor, Coop machts nach. Aber man war anstän­dig genug, nicht die­sel­ben Far­ben wie bei der Migros zu neh­men. Bei der Erd­beer-Packung etwa hat man auf ein etwas dunk­le­res Rot gesetzt.

Kalo­rien­hin­weis in der rech­ten unte­ren Ecke: Wenns die Migros dort unten hin­setzt, kann es ja nicht schlecht sein. Also prangt er auch bei Coop an der­sel­ben stelle.

Anzahl Glace im Kar­ton: Bei Migros 12 Stück. Bei Coop 12 Stück.

Preis: Bei Migros kos­tet eine Schach­tel mit zwölf Glace­stän­geln 7.20 Fran­ken. Bei Coop auch.

Ist das also alles nur Zufall? Bestimmt. Einen deut­li­chen Unter­schied gibt es aller­dings: Bei der Migros ist das Glace-Design schon Kult. Bei Coop muss sich das erst noch ent­wi­ckeln. In zehn bis zwan­zig Jah­ren wis­sen wir dann mehr.



Design im Wein­an­bau­ge­biet (2/2)

Ein kei­nes Gedan­ken­spiel: Wie stellt man sich jeman­den vor, der auf sei­ne Wei­ne eine sol­che Eti­ket­te klebt?

Wagen wir mal eine klei­ne Inter­pre­ta­ti­on: Da setzt jemand auf Tra­di­ti­on und Geschichts­be­wusst­sein. Die Moder­ne hat hier noch nicht Ein­zug gehal­ten. Alles ist gut so wie es ist, und das seit Jah­ren. Als Kon­su­ment eines sol­chen Trop­fens kann man sich dar­auf ver­las­sen, dass man bestän­di­ge Qua­li­tät bekommt. Alles hat hier sei­nen gere­gel­ten Gang, Expe­ri­men­te braucht es hier nicht. Die Eti­ket­te sieht seit Jahr­zehn­ten gleich aus, und einen moder­nen Gra­fi­ker wird man hier nie ans Werk las­sen. Aber gut, Leu­te, die sol­che Initia­len wie auf der Eti­ket­te malen kön­nen, deren Kunst­fer­tig­keit ist ja auch nicht ganz zu verachten.

Ich hat­te Gele­gen­heit, das Wein­gut zu besu­chen, wel­ches die­se Eti­ket­ten her­stellt. Es war ein Aus­flug in längst ver­gan­ge­ne Zei­ten. Wäh­rend moder­ne Win­zer ihrer Arbeit auch visu­ell eine moder­ne Spra­che ver­lei­hen (schön ein­ge­rich­te­te Wein­kel­ler, moder­ne Eti­ket­ten, ein gewis­se Stil­ge­fühl), ist die­ses Wein­gut hier sozu­sa­gen die Ani­the­se zum moder­nen Wein­we­sen – und ver­leiht dem auch visu­ell Aus­druck. Doch stel­len wir zuerst mal den Win­zer vor. Das hier ist er, Paul Pernot:

Der Win­zer Paul Per­not im Gespräch.

Paul hat sein Wein­gut im Griff. Der Mann, inzwi­schen weit über 70, hält die Zügel fest in der Hand. Zwar hat er das Tages­ge­schäft längst sei­nen Söh­nen über­tra­gen; trotz­dem schaut er ihnen sehr genau auf die Fin­ger. Und legt Wert auf Bestän­dig­keit, wie er selbst bekräftigt:

Wir machen unse­re Wei­ne immer gleich. Seit Jahrzehnten.

Degus­tiert man Wein, so wird man bei moder­nen Win­zern in einen schön aus­ge­bau­ten Wein­kel­ler gebe­ten. Bei Paul ist das anders. Die Ver­kos­tung fin­det in einer öden Lager­hal­le statt, deren Charme und innen­ar­chi­tek­to­ni­scher Wert gegen Null tendiert:

Blick in die Lager­hal­le von Paul  Pernot

Degus­tiert wird einem der Wein an die­sem mit schwar­zer Folie über­spann­ten Tisch. Zele­briert wird das nicht spe­zi­ell. Alles läuft hier sehr prag­ma­tisch ab. Bevor man den Wein degus­tie­ren darf, wird einem die Preis­lis­te gereicht. Das ist nicht etwa eine Excel-Tabel­le, auch kein Doku­ment, das in Word erzeugt wur­de. Nein, hier tut es noch die gute alte Schreibmaschine:

Preis­lis­te des Wein­guts von Paul Pernot.

Von Com­pu­tern hält man hier sowie­so wenig, Gerüch­ten zu Fol­ge steht hier nir­gends so ein Gerät. Auf die Fra­ge mei­nes Kol­le­gen (ein aus­ge­wie­se­ner Wein­ken­ner), wie man denn  Wein bestel­len könn­te, war dies die – ernst gemein­te – Antwort:

Schi­cken Sie mir ein Fax.

Immer­hin hat­te sich Mon­sieur Paul in sei­ner Lager­hal­le auch ein klei­nes Büro ein­ge­rich­tet. Dort sticht einem ein Schnur­los-Tele­fon ins Auge, soweit geht man dann tech­no­lo­gisch doch. Aber anstatt die Tele­fon­num­mern im Tele­fon zu hin­ter­le­gen, wer­den die­se lie­ber auf ein Stück Kar­ton geschrie­ben, das dann gut sicht­bar plat­ziert wird:

Büro in der Lager­hal­le auf dem Wein­gut von Paul Pernot.

Auch in der Logis­tik setzt man auf Kar­ton. Die Lie­fe­run­gen ins Aus­land wer­den nicht etwa mit einem moder­nen Lie­fer­schein aus­ge­stat­tet. Son­dern auf Kar­ton­stü­cken auf­ge­lis­tet, und zwar fein säuberlich:

Wein, fer­tig zum Aus­lie­fern auf dem Wein­gut Paul Pernot.

In Krea­tiv­krei­sen behaup­tet man ja immer ger­ne, dass ein biss­chen Cha­os der Krea­ti­vi­tät kei­nen Abbruch tut. Ähn­li­ches lässt sich viel­leicht auch in der Wein­bran­che sagen. Eine Detail­auf­nah­me aus der Lager­hal­le: Hier sta­peln sich Wein­eti­ket­ten, aus­ge­dien­te Wein­kis­ten, Kar­ton­schach­teln uns sogar ein paar uneti­ket­tier­te Wein­fla­schen, deren Inhalt aber wohl nur der Chef selbst ken­nen dürfte:

Blick in die Lager­hal­le von Paul Pernot.

Auch wenn es auf dem Wein­gut Per­not also hemds­ärm­lig zu und her geht, darf man nicht unter­schla­gen, dass hier tol­le Wei­ne pro­du­ziert wer­den. Wäh­rend moder­ne Win­zer aber ihren Wein auch etwas zele­brie­ren und ger­ne über ihre Arbeit und ihre Metho­den spre­chen, ist Paul eher ein Mann der weni­gen Wor­te. Das Phi­lo­so­phie­ren über den Wein liegt ihm nicht, was auch nicht nötig ist, denn er steht für ande­re Wer­te: Für das Bestän­di­ge und Tra­di­tio­nel­le. Das muss ja nicht a prio­ri schlecht sein. Aber ich gebs zu: Visu­ell zumin­dest war der Besuch bei Mon­sieur Paul ein beson­de­res Erleb­nis. Jetzt muss ich nur noch schau­en, wo ich mei­ne vor 15 Jah­ren ein­ge­mot­te­te Fax­ma­schi­ne ver­sorgt habe.

Paul Per­not in der Lager­hal­le sei­nes Weinguts.

Design im Wein­an­bau­ge­biet (1/2)

Kürz­lich hat­te ich das Ver­gnü­gen, ein paar Tage im Bur­gund zu ver­brin­gen. So endet es halt, wenn man Wein­freaks zu sei­nen Freun­den zählt. Natür­lich haben wir viel Wein getrun­ken und den einen oder ande­ren Win­zer besucht. Doch dar­über kann besag­ter Wein­freund bes­ser Aus­kunft geben. Hier soll es um einen ganz ande­ren Aspekt des Bur­gun­des gehen: Näm­lich dar­um, wie die Wein­re­gi­on design­mäs­sig so insze­niert wird.

Nun muss man ganz grund­sätz­lich sagen, dass das Bur­gund zu den schöns­ten Regio­nen auf unse­rem Kon­ti­nent zählt. Über­all zie­hen sich die Wein­re­ben male­risch den «hei­li­gen Hügeln» (O‑Ton Wein­freund) ent­lang. Die Dör­fer im Bur­gund: Wie gemalt. Stein­häu­ser all­über­all, nir­gends eine archi­tek­to­ni­sche Bau­sün­de weit und breit. Die Fran­zo­sen haben eben einen Sinn für (auch all­täg­li­che) Ästhe­tik, das spürt man hier an jeder Ecke.

Design­mäs­sig gibt es hier eine klei­ne Nische zu ent­de­cken: Die Wein­re­gi­ons-Beschrif­tung. Signage-Design im Land des Spit­zen­wei­nes also. Schrif­ten­ma­ler schei­nen hier reich­lich Arbeit zu haben. Wohin man schaut: Hier wer­den Beschrif­tun­gen nicht digi­tal pro­du­ziert und auf irgend­wel­che Kunst­stoff­plat­ten gepappt, son­dern im Regel­fall von Hand gemalt. Das hat­te was herr­lich indi­vi­du­el­les und gab der Regi­on  ein lie­be­vol­les Gesicht – man spürt so auch rein visu­ell, dass Wein hier eine Her­zens­an­ge­le­gen­heit ist.

Schaut man dann bei den Wein­gü­tern vor­bei, dann setzt sich dort der ästhe­ti­sche Ein­druck fort: Die guten Win­zer wol­len auch ein anstän­di­ges Logo und anstän­di­ge Wein­eti­ket­ten haben und sind sich nicht zu scha­de, dafür einen guten Gra­fi­ker zu enga­gie­ren. Schliess­lich hat man ja auch einen Ruf zu verlieren.

Nur ein Ort war ästhe­tisch etwas schwie­rig, das lag vor allem an Mon­sieur Paul. Doch dar­um soll es im nächs­ten Post gehen.

Mit einem Klick auf die unten­ste­hen­de Bild­ga­le­rie gibt es ein paar kom­men­tier­te Bei­spie­le von bur­gun­di­schem Wein-Design:

Der Unfall

Tja, die «20-Minu­ten-Design-Aus­ga­be» ist wohl einer der gröss­ten Design-Unfäl­le in der schwei­zer Print­land­schaft. Das ist eigent­lich scha­de, wenn man das mal rein aus dem Design-Blick­win­kel anschaut (die Ver­mi­schung von redak­tio­nel­lem Inhalt mit Wer­bung ist eine ande­re Geschich­te): Denn immer­hin wur­de da hin­ter den Kulis­sen von der Krea­tiv­mann­schaft viel Arbeit rein­ge­steckt. Scha­de auch für das Luzer­ner Stu­dio Fei­xen, das eigent­lich recht coo­les Zeugs macht, gera­de auch im Poster­be­reich. Es ist sehr frus­trie­rend für Gestal­ter, wenn man soviel Ener­gie in ein Pro­jekt steckt und am Schluss der Fun­ken nicht zündet.

Die Fra­ge ist, war­um da intern nicht frü­her die Alarm­glo­cken geläu­tet haben. Denn eigent­lich ist es ja eine alte Wahr­heit im Zei­tungs­de­sign, dass die Les­bar­keit der Arti­kel nie­mals tan­giert wer­den darf; sie ist nahe­zu hei­lig. Wenn sie dann noch kom­mer­zi­el­len Inter­es­sen geop­fert wird, dann stösst das erwar­tungs­ge­mäss im Publi­kum auf wenig Gegen­lie­be. Expe­ri­men­tie­ren ist natür­lich in Ord­nung, die Anzahl der 08/15-Zei­tungs­sei­ten ist auch so immer noch hoch genug, so dass man ger­ne mal design­mäs­sig auf­bre­chen darf und soll – aber nicht auf Kos­ten des inhalts.

Zu guter Letzt: Wenn man hin­ter die Farb­kleck­se der Design-Aus­ga­be blickt, offen­bart sich etwas span­nen­des – für die Arti­kel wur­den neue Schrif­ten ein­ge­setzt. Und das sieht gar nicht mal so schlecht aus, wenn man sich die Far­be weg­denkt. Als eigent­lich urban ori­en­tier­te Zei­tung hät­te 20 Minu­ten durch­aus mal ein moder­ne­res Lay­out als das heu­ti­ge ver­dient; gera­de in Skan­di­na­vi­en gibt es vie­le toll design­te Gra­tis­ti­tel. Viel­leicht könn­te man sich da mal inspi­rie­ren las­sen. Das ist mei­ne rein pri­va­te Mei­nung, die in keins­ter Art als Kol­le­gen­schel­te zu ver­ste­hen ist.